5 Fragen zu...LNG

Im vergangenen Dezember kam es zu einer Neuerscheinung auf dem deutschen Energiemarkt: Zum ersten Mal lieferten nicht nur Pipelines Erdgas aus benachbarten Ländern, sondern auch ein Schiff am neugebauten LNG-Terminal in Wilhelmshaven. Unsere Rubrik „5 Fragen...“ fasst fünf der interessantesten und aktuellsten Fragen zum Thema LNG zusammen.

März 2023
1.  Wie war die Erdgasversorgung vor dem Ukrainekrieg strukturiert und woher kommt jetzt unser Gas?

Noch 2021 importierte die Bundesrepublik 859 TWh (52 Prozent) aus Russland – seit September 2022 fließt kein russisches Gas mehr1. Teilweise konnten die Mengen durch zusätzliche Importe aus benachbarten Ländern wie den Niederlanden, Belgien und Norwegen kompensiert werden. Von dort kommen täglich rund 3 TWh, was hochgerechnet 1.095 TWh für 2023 entspräche und den deutschen Verbrauch überdecken würde2. Gleichzeitig sank der inländische Verbrauch infolge von Sparmaßnahmen und mildem Wetter um rund 14 Prozent und Deutschland reduzierte den Export um ein Drittel. Allerdings sind Tschechien, Österreich und die Schweiz auf die Durchleitung aus dem Norden angewiesen, da praktisch keine Transportkapazitäten aus dem Süden bestehen (Deutscher Export im Jahr 2022 ca. 501 TWh).3

Um die Versorgungssicherheit in ganz Europa zu gewährleisten, ist daher der Bezug von außereuropäischen Quellen nötig. Hier kommt LNG – Liquified Natural Gas – ins Spiel. Die Terminals in Wilhelmshaven, Lubmin und Brunsbüttel, die bereits in Betrieb sind, haben zusammen eine Kapazität von rund 200 TWh pro Jahr. Über sie könnte also ein signifikanter Teil des Bedarfs gedeckt werden.

 

2.  Wie funktioniert die LNG-Technik?

Um Erdgas mit dem begrenzten Volumen eines Schiffes transportieren zu können, muss seine Energiedichte erhöht werden. Dazu wird es auf unter −160 °C gekühlt, wodurch es nur noch 1/600 des normalen Volumens hat. Für die Kühlung müssen Kompressoren und Kältemaschinen betrieben werden, die etwa 10-20 Prozent des Energiegehalts im Gas in Form von Strom verbrauchen.

Auf dem Schiff wird das LNG in isolierten Tanks transportiert. Damit es über die lange Transportzeit flüssig bleibt, wird ein Teil des Gases kontrolliert verdunstet und damit die durch die Isolationsschicht tretende Wärme abgeführt. Bei diesem „boil-off“ genannten Verfahren wird das verdunstende Gas (ca. 0,11 Prozent pro Tag) entweder wieder verflüssigt oder dem Schiffsantrieb als Treibstoff zugeführt.

Am Zielort angekommen wird beim Abpumpen des LNGs in einen stationären Speicher der Druck auf ca. 80 Bar erhöht, bevor es schließlich unter Wärmezufuhr regasifiziert und ins Netz eingespeist wird. Während die Regasifizierung meist durch Umgebungswärme in entsprechenden Wärmetauschern geschieht, muss für die vorherige Kompression erneut Strom eingesetzt werden. Damit das LNG problemlos wie das heimische H-Erdgas genutzt werden kann, ist ggf. vor der Einspeisung noch eine Konditionierung nötig.4

 

3. Wie verhalten sich Kosten und Preise im Vergleich zu Erdgas?

Die zusätzlichen Kosten von verschifftem LNG im Vergleich mit Pipeline-Erdgas setzen sich aus den Kosten für den Strom zur Abkühlung, den Verlusten beim boil-off sowie ggf. höhere Transportkosten zusammen. Wie zuvor beschrieben liegt der energetische Verlust bei der Abkühlung bei 10-20 Prozent. Die Kosten des boil-offs können angesichts der geringen Menge sowie der Möglichkeit des Einsatzes als Treibstoff vernachlässigt werden. Die Frachtraten für LNG-Tanker zeigten sich in der Vergangenheit sehr volatil und lassen sich – wie die Treibstoffkosten und Gebühren für besondere Seewege (z.B. den Suez-Kanal) und Häfen – kaum beziffern. Laut der EU-Agentur ACER lag der Preis von LNG am Spotmarkt für Nord-West-Europa am 21. Februar 2023 bei 46,43 EUR/ MWh und damit unterhalb des Preises für Erdgas am Spotmarkt TTF von 50,98 EUR/MWh. Die Preise sind damit aktuell nicht höher als Pipelinegas aus Nordwest-Europa vor Beginn des Ukrainekrieges. Die Herstellungs- und Transportkosten für LNG scheinen daher – zumindest derzeit – konkurrenzfähig zu sein.

 

4. Inwiefern führt LNG die Märkte zusammen?

Mitverantwortlich für die Konkurrenzfähigkeit von LNG zu Pipeline-Erdgas könnte die Zusammenführung der Märkte sein. Durch den Wegfall der geographischen Bindung der Lieferungen an Pipelines gelangt Gas aus anderen Regionen der Welt auf den deutschen Markt. Damit baut sich das Oligopol der bisherigen Lieferanten wie Russland, Norwegen und den Niederlanden ab und zwingt alle Marktteilnehmer, ihre Preise näher an ihren Grenzkosten zu orientieren. Bei einem Überangebot, wie es aktuell der Fall ist, führt dies zu fallenden Preisen.

 

5. Wie sind die Aussichten für LGN in Deutschland?

Der Betrieb von drei LNG-Terminals ist bereits angelaufen. Diese können einen Teil der russischen Lieferungen ersetzen und die Versorgungssicherheit im kommenden Winter erhöhen. Insgesamt sind bis zu zehn LNG-Terminals bis 2026 mit einer jährlichen Kapazität von bis zu 775 TWh geplant. Ob die gesamte Kapazität tatsächlich benötigt wird, bezweifelt inzwischen unter anderem die Bundesnetzagentur5. Unsicherheit besteht etwa hinsichtlich des künftigen Erdgasverbrauchs, der zugunsten des Klimaschutzes langfristig reduziert werden soll. Das Potenzial für die Auslastung der Terminals ergibt sich aber nicht nur durch den Ersatz für russisches Gas. Zur Realisierung der Energiewende wird langfristig auch Infrastruktur für den Import von Wasserstoff-Derivaten wie Methan oder Ammoniak benötigt. Eine Nachnutzung der Terminals nach der geplanten Klimaneutralität 2045 ist damit wahrscheinlich.

 

Sie haben Fragen zu LNG? Sprechen Sie uns gern an!

<a class="arrow">energysales@vattenfall.de</a>

 


<a class="button">Zur Artikel-Übersicht</a>

 

 

1 Bundesnetzagentur, Gasversorgung im Jahr 2022, https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Gasversorgung/aktuelle_gasversorgung/Rueckblick/start.html#:~:text=Gasverbrauch%20gesamt,-Gasverbrauch%202022%20in&text=Im%20Jahr%202022%20hat%20Deutschland,(1.029.056%20GWh
2 NDR, LNG: Wie viel Flüssiggas kommt derzeit in Deutschland an?, https://www.ndr.de/nachrichten/info/LNG-Wie-viel-Fluessiggas-kommt-derzeit-in-Deutschland-an,lng632.html
3 Bundesnetzagentur, https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/20230106_RueckblickGasversorgung.html?nn=1074618
4 M. Sterner, I. Stadler et al., 2017, „Energiespeicher-Bedarf, Technologien, Integration“, Berlin, https://www.springerprofessional.de/erdgas/verfahrenstechnik/wie-lng-hergestellt-und-transportiert-wird/20284502
5 Tagesschau, https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/brunsbuettel-lng-terminals-verluste-steuergelder-ueberversorgung-gasversorgung-fluessiggas-101.html