Anders als in unserem letzten Marktausblick stehen die Zeichen – mit Ausnahme der Emissionszertifikate – derzeit auf Entspannung. Allerdings wird sich der Markt nicht vollkommen beruhigen, solange Unsicherheitsfaktoren wie der Krieg oder bevorstehende politische Markteingriffe das Geschehen domonieren.
Wenn wir die Preisentwicklung der letzten drei Monate betrachten, sind erhebliche Preisrückgänge am Strom-, Gas-, und Kohlemarkt zu beobachten. Am Strommarkt rutschte das Base 2024 von seinem Niveau bei 290 EUR/MWh am 7. Dezember 2023 auf aktuell 160 EUR/MWh, ein sattes Minus von 45 Prozent. Auch am Gasmarkt schmolz die Risikoprämie dahin. Das Produkt THE 2024 verlor im gleichen Zeitraum etwa 48 Prozent und handelt aktuell bei 58 EUR/MWh. Auf dem Kohlemarkt verlor der API2-Kontrakt für 2024 etwa 100 USD/t und wird derzeit bei 143 USD/t gehandelt.
Hinzu kommt, dass die Balance-of-Year-Produkte (BOY = innerjährige Strom- und Gasprodukte wie Monate, Quartale und Seasons) zusammen mit den Spotpreisen schwächeln. Die durchschnittlichen Spotpreise am EPEX-Strommarkt liegen 2023 bisher bei ca. 120 EUR/MWh und die Gaspreise sind auf aktuell ca. 50 EUR/MWh gefallen.
Unsere Einschätzung im letzten Newsletter vom Dezember 2022, dass sich der Energiemarkt wieder beruhigt und in ruhigeres Fahrwasser bewegt, traf nur bedingt ein. Die Preisausschläge, wie wir sie im August und im September gesehen haben, wiederholten sich zwar nicht mehr, dennoch waren innertägige Preisbewegungen von 10 EUR/MWh und mehr für das Frontjahr Strom keine Seltenheit. Trotzdem muss konstatiert werden, dass die weiterhin gut gefüllten Gasspeicher, die Inbetriebnahme von nationalen LNG-Terminals und ein reduzierter Gasverbrauch den Gasmarkt und somit auch den Strommarkt beruhigten und dies zu fallenden Preisen führte.
Mit Blick Richtung Übersee sorgte die Wiederinbetriebnahme des US LNG-Terminals Freeport, das über acht Monate außer Betrieb war und dessen LNG in der Vergangenheit zu 80 Prozent für den europäischen Markt bestimmt war, ebenfalls für Entspannung.
Auch der Preiseinbruch am Kohlemarkt ist nicht auf ein einzelnes Ereignis zurückzuführen, sondern ist eine Bündelung vieler unterschiedlicher Einflüsse. Zum einen sind die Kohlelager weltweit außerordentlich gut gefüllt, was mit der schwachen Nachfrage insbesondere aus Asien und den wieder verbesserten Förderbedingungen in Australien zu erklären ist – wenngleich die Wiederaufnahme der Einfuhren von australischer Kohle in China für Unterstützung sorgen könnte. Zudem gibt es auch Nachrichten, dass Russland seine Kohle, für die es ja seit dem 10. August 2022 einen Importstopp in Europa gibt, in Südkorea zu günstigen Konditionen anbietet.
Am erstaunlichsten ist jedoch die Entwicklung der Preise für Emissionszertifikate: European Union Allowances (EUA) schlossen am 21.02.2023 bei einem Rekordwert von exakt 100 EUR/t – dies ist ein Preisanstieg um 15 EUR/t seit Jahresbeginn. Obwohl das EU-Parlament noch wenige Tage zuvor für EUA-Zusatzverkäufe im Rahmen des Repower EU-Programmes stimmte, was eine preisdämpfende Wirkung haben sollte, stiegen die Preise weiter an. Gegebenenfalls ist hier das Timing die Ursache, da die Zusatzverkäufe erst in der zweiten Jahreshälfte erfolgen und somit nicht für Compliance-Käufer zur Verfügung stehen, die bis zum 30. April ihr EUA-Portfolio für 2022 glattstellen müssen. Festzuhalten bleibt, dass sich EUA-Preise auf diesem Niveau und bei den aktuellen Gas- und Kohlepreisen mitten in der „Fuel Switching Range“ bewegen. Das bedeutet, dass Gaskraftwerke mit einem hohen Wirkungsgrad Kohlekraftwerke mit einem niedrigen Wirkungsgrad seit Beginn 2023 verstärkt verdrängen.
Auch wenn sich die zum Teil beobachtete Hysterie im Herbst 2022 an den Energiemärkten gelegt hat und eine rückläufige Volatilität zu beobachten ist, bleibt mit dem bestehenden Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine eine latente Grundspannung erhalten. Schließlich ist die Wahrscheinlichkeit unvorhersehbarer Ereignisse, die potenziell schwerwiegende Folgen haben könnten, höher als in friedlichen Zeiten. Gleichzeitig geht der Ausbau von energierelevanter Infrastruktur weiter und die Abkopplung der nationalen und europäischen Energiemärkte von Russland wird sich verfestigen.
Für die preisliche Entwicklung der nationalen Strom- und Gaspreise bedeutet dies, dass die Risikoprämie aus den langfristigen Strom- und Gasprodukten schrumpft und somit die Preise noch Potenzial nach unten haben. Selbst ein „Vorkriegs-Niveau“ ist nicht ausgeschlossen, da die Kosten für LNG durchaus konkurrenzfähig zu den Kosten für Pipelinegas sein können (dazu mehr in unserem Artikel 5 Fragen zu...LNG).
Allerdings können politische Eingriffe in das Strommarktdesign, zu denen es von der Bundesregierung im Sommer Vorschläge geben soll, den Markt noch einmal komplett durchmischen. Auch das Szenario, dass es bei weiterhin stockendem Netzausbau in Zukunft verschiedene Preiszonen in Deutschland geben könnte, kann die Preise am Großhandelsmarkt beeinflussen.
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