Direktvermarktung: Risiken und Modelle in Zeiten von Oster- und Sommerpaket

Das Ziel steht fest: 2030 sollen 80 Prozent des deutschen Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Direktvermarktung und Power Purchase Agreements – die in die sonstige Direktvermarktung des EEG fallen und förderfrei sind – gewinnen zunehmend an Bedeutung. Doch die aktuell hohen und volatilen Strompreise bringen Herausforderungen mit sich.

November 2022

Habecks Osterpaket sieht ein Ausbauziel für erneuerbare Energien von 80 Prozent in 2030 vor. Tatsächlich hat sich die installierte Leistung der Erneuerbaren in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt – doch das Tempo reicht bisher nicht aus, um die Ziele zu erreichen. Logischerweise steigt vor allem die Bruttostromerzeugung nicht linear an: 2021 war zum Beispiel mit 233 Mrd kWh ein windschwaches Jahr und 2022 könnte ähnlich ausgehen. (Mehr zum Osterpaket finden Sie in unserem Artikel <a class="arrow">„Was ist dran an Habecks Osterpaket?“</a>) Das angekündigte Sommerpaket kommt – anders als geplant – nicht in Form vieler an einem Stück ausgearbeiteten Gesetzesnovellen einher, sondern gliedert sich eher in Einzelmaßnahmen.

 

Chancen und Risiken bei der Direktvermarktung

Die Stärkung der Erneuerbaren ist wesentlich davon abhängig, wie gut die Marktintegration gelingt und die Post-Förderungs-Ära eingeleitet wird. Dabei spielt die Direktvermarktung eine zentrale Rolle – und wir sehen eine positive Entwicklung: Über 80 Prozent der erneuerbar produzierten Strommengen sind bereits in der Direktvermarktung.

Allerdings macht die aktuelle Lage im Stromhandel – mit sehr hohem Preisniveau und hoher Volatilität – die Direktvermarktung sehr anspruchsvoll. Insgesamt beobachten wir in den vergangenen Jahren eine Zunahme der Preisschwankungen: So haben wir für September 2020 Differenzen von rund 30 Euro/MWh innerhalb eines Tages zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Wert der stündlichen Spotpreise an der EPEX analysiert – im September 2022 lagen diese bei 300 Euro/MWh. Mitte November 2022 betrug die innertägliche Preisdifferenz zwischen Tagesmaximum und -minimum „nur“ noch 150 Euro/MWh, aber immerhin noch das Fünffache im Vergleich zu den Werten von vor zwei Jahren. Die Vermarktung von Erneuerbaren ist für die Anlagenbetreiber auf der Verkäuferseite bei hohen Preisen vorteilhaft, doch für den Direktvermarkter ist es sehr schwer abzuschätzen, wann eine Erneuerbare-Energien-Anlage wieviel einspeist und zu welchen Preisen der Strom zu den jeweiligen Zeitpunkten gehandelt wird. 

Auch beim Marktprämienmodell hat sich das Bild aufgrund der hohen Preise geändert. Die Monatsmarktwerte übersteigen häufig den anzulegenden Wert – dadurch fällt die Marktprämie weg. Sie wurde bisher vom Netzbetreiber ausgezahlt, um Anlagenbetreiber einen Ausgleich zur gesetzlich zugesicherten fixen EEG-Vergütung zu bieten. Eine Prognose, wie sich die Marktwerte entwickeln, ist schwierig und sie müssen jeden Monat neu bewertet werden. Dies birgt ein hohes Risiko, das Marktwertrisiko, für den Direktvermarkter: Er muss abschätzen, wieviel Einnahmen er durch die Vermarktung der spezifischen Anlage an der Spotbörse erlösen kann und muss die Ausgaben, die sich aus den Auszahlungen an den Anlagenbetreiber (z.B. Monatsmarktwert) und den internen Kosten zusammensetzen, gegenüberstellen. Aus diesem Vergleich wird dann das Dienstleistungsentgelt individuell für jede Anlage kalkuliert. 

Hinzu kommen Risiken in Bezug auf die Ausgleichsenergiepreise. Diese werden dem Direktvermarkter als Bilanzkreisverantwortlichen von den Übertragungsnetzbetreibern in Rechnung gestellt, wenn die tatsächlich erzeugte Energiemenge von der Prognose abweicht. Während die Preise 2019 und 2020 durchschnittlich um 35 Euro/MWh rangierten, liegen diese derzeit im Durchschnitt für das Jahr 2022 bei 230 Euro/MWh (Stand 30.09.2022). Folglich hat der Direktvermarkter bei gleicher Prognosegüte ein viel höheres Risiko. Unklar ist, wie sich die Ausgleichenergiepreise mit dem Zubau erneuerbarer Energien entwickeln werden, zumal im vergangenen Juni grundlegende Veränderungen in der Beschaffung von Regelenergie umgesetzt wurden und die preislichen Auswirkungen noch nicht genau evaluiert werden können. (Mehr zum Thema Ausgleichsenergie finden Sie in unserem Artikel <a class="arrow">„Fünf Fragen zu...Ausgleichsenergiepreisen“</a>.)

 

Neue Preismodelle für die Direktvermarktung

Bei Vattenfall finden wir, dass man das höhere Risiko nicht einfach in Form von Risikoaufschlägen an die Kunden weitergeben kann. Daher haben wir neue Vergütungsmodelle für die Direktvermarktung entwickelt:

  • Im Modell Basis Marktwertstufen verbleiben wir in der bisherigen Systematik, d.h. der Vergütung auf Basis des jeweiligen Monatsmarktwerts, berechnen aber je nach Höhe des Monatsmarktwerts unterschiedliche Dienstleistungsentgelte entweder als feste Stufen oder als prozentualen Wert. 
  • Im Modell Basis Spotmarkt übernimmt der Anlagenbetreiber das Marktwertrisiko. Dafür wird im Gegenzug jede erzeugte Megawattstunde mit dem entsprechenden EPEX-Day-ahead-Preis vergütet. Das Dienstleistungsentgelt wird als prozentualer Anteil am durchschnittlichen Spotpreis berechnet und deckt die Risiken der Ausgleichsenergie sowie die Abwicklung der Vermarktung ab. 
  • Das Hybridmodell verbindet die Vorteile beider Varianten: In Abhängigkeit von der Höhe des Monatsmarktwerts vergüten wir entweder auf Basis der Spotpreise oder auf Basis des Monatsmarktwerts. Damit übernehmen wir als Vermarkter das Ausgleichsenergierisiko und teilweise auch das Marktwertrisiko. 

Bei Abregelungen gelten unterschiedliche Vergütungsregeln, auch in Abhängigkeit davon, ob der Übertragungsnetzbetreiber abregelt oder wir als Direktvermarkter.

 

Neue Politische Regelungen – mit noch nicht bekannten Auswirkungen

Auf die oben bereits erwähnten hohen Strom- und Gaspreise in Deutschland und Europa hat inzwischen auch die Politik reagiert. Ende September hat die Europäische Union eine Verordnung erlassen und die Bundesregierung, federführend das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), ist zurzeit dabei, diese in nationales Recht umzusetzen. Geplant ist eine Erlösabschöpfung u.a. von geförderten und ungeförderten Erneuerbare-Energien-Anlagen, die in der Direktvermarktung oder in der sonstigen Direktvermarktung gemäß EEG sind. Gleichwohl ist die Ausgestaltung der Abschöpfung hinsichtlich Höhe und Zeitraum noch unklar und soll bis Mitte Dezember weitestgehend feststehen.

 

Fazit

Die Direktvermarktung ist ein wesentlicher Bestandteil für das Gelingen der Energiewende. Aus unserer Sicht sind die erneuerbaren Energien den Kinderschuhen entwachsen und sind in der Lage, selbst Verantwortung zu übernehmen. 100% Erneuerbare sind das Ziel – Direktvermarktung und Power Purchase Agreements sind der Weg dorthin.

 

Sie haben Fragen zur Direktvermarktung? Sprechen Sie uns gern an!

<a class="arrow">renewables@vattenfall.de</a>