Negative Spotpreise – geschenkt ist noch zu teuer?

2024 waren die Day-ahead-Preise an der EPEX SPOT in 457 Stunden negativ – das entspricht fünf Prozent der 8.784 Stunden des Jahres. In diesen Stunden muss ein Stromproduzent für den von ihm erzeugten Strom Geld bezahlen und der Käufer erhält das Geld. Verkehrte Welt, die immer öfter auftaucht und die wir näher betrachten wollen.

April 2025

Stromerzeugung und Stromverbrauch müssen in einem Netzgebiet jederzeit identisch sein, denn nur so kann das Stromnetz mit einer Frequenz von 50 Hertz stabil betrieben werden. Abweichungen der Netzfrequenz von dem Sollwert rufen die Übertragungsnetzbetreiber auf den Plan, die mit der vorab beschafften Regelenergie kurzfristig für den notwendigen Ausgleich der Strommengen sorgen.

 

Das Wetter bestimmt die Erzeugung

Mit dem Umbau der Erzeugungslandschaft im Rahmen der Energiewende von konventionellen Kraftwerken hin zu erneuerbaren Energiequellen wird die Erzeugungsseite immer stärker wetterabhängig, während die Flexibilisierung der Verbrauchsseite bisher noch langsam voranschreitet. 

Ein windiger und sonnenreicher Tag erhöht die erzeugten Strommengen in manchen Stunden des Tages dermaßen, dass sie weit größer sind als der zeitgleiche Bedarf an elektrischer Energie durch Industrie, Handel, Gewerbe und Privatkunden. In diesen Stunden herrscht ein großer Angebotsüberhang, der zu sehr niedrigen und immer öfter auch negativen Preisen auf dem Strommarkt führt. Negative Preise sind dabei nicht unbedingt „schlecht“. Sie signalisieren lediglich, dass es sich in diesem Moment nicht lohnt, Strom zu produzieren. Wer dennoch produziert, muss dem Abnehmer der erzeugten Strommenge Geld dafür zahlen. Großbatterien, die elektrische Energie bis zur Kapazitätsgrenze einspeichern, „aufbewahren“ und ausspeichern können, nutzen die negativen Preise als Abnehmer. Wenn die Preise wieder steigen, wird die eingespeicherte Strommenge von der Batterie als Lieferant wieder verkauft. So unterstützen negative Preise Geschäftsmodelle für Batteriespeicher und zunehmend auch Nachfrageflexibilität.  

 

Preisbildung im Börsenhandel

Der Verkauf und die Beschaffung von elektrischer Energie erfolgt im Großhandel in Abhängigkeit vom gewünschten Lieferzeitpunkt auf separaten Märkten – von langfristigen Terminmärkten bis hin zu kurzfristigen Handelsgeschäften an der EPEX Spot. Auf dem Day-ahead-Markt der EPEX Spot treffen sich Handelsteilnehmer mit ihren individuellen Preisvorstellungen für den Verkauf (Angebot) und dem Kauf (Nachfrage) von prognostizierten Strommengen für die Lieferung am kommenden Tag. Dabei werden die Gebote der Marktteilnehmer in stündlicher Auflösung in Angebots- und Nachfragekurven aggregiert, d.h. für jede Stunde des nachfolgenden Tages werden separate Schnittpunkte der Angebots- und Nachfragekurven ermittelt und als jeweilige Markträumungspreise veröffentlicht.

Der maximale EPEX Spot-Preis im Jahr 2024 betrug 936,28 Euro/MWh und der niedrigste Preis lag bei -135,45 Euro/MWh. Insgesamt hatten 457 Stunden einen negativen Preis und immerhin noch 62 Stunden einen Preis von 0,00 Euro/MWh.[1]

 

Wie entstehen negative Preise an der EPEX Spot?

Negative Preise sind nichts Neues in der deutschen Stromwirtschaft: Bereits im September 2008 hat die damalige Spotbörse EEX negative Preise bis zu einem Wert von -3.000 €Euro/MWh zugelassen – übrigens sind sie heute auf -500 Euro/MWh begrenzt. Erstmalig aufgetreten sind die negativen Strompreise im deutschen Marktgebiet am Sonntag, den 5. Oktober 2008 sowie in insgesamt 15 Stunden in dem Jahr. In den folgenden Jahren ist die Anzahl der Stunden mit negativen Preisen gestiegen: von 56 Stunden im Jahr 2012 und 97 Stunden im Jahr 2016 bis zu 298 Stunden im Jahr 2020. Lediglich in den Jahren 2021 und 2022, als die Preise an den Strommärkten infolge der Energiekrise stark stiegen, wurde dieser Trend durchbrochen. Aber er wurde bereits in den Jahren 2023 mit 301 Stunden und 2024 mit neuen Höchstständen fortgeführt.[2] In der Vergangenheit traten die negativen Preise eher an Wochenenden und Feiertagen mit hoher Wind- und Solareinspeisung bei gleichzeitig geringem Stromverbrauch auf. Derzeit verursachen hohe PV-Einspeisungen in den Mittagsstunden teilweise auch an Wochentagen negative Preise.  

 

Mehr Flexibilität für weniger Preisspitzen

Um diesem Trend zu begegnen, hat der alte Bundestag am 31. Januar 2025 das „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“ verabschiedet. Im Gesetz heißt es dazu: „Der Gesetzentwurf sieht unter anderem Regelungen vor, die die Flexibilität im Stromsystem erhöhen sollen. Insbesondere wird im EEG die Direktvermarktung ausgeweitet und entbürokratisiert und es werden die Regelungen zur Vergütung von Erneuerbare-Energien-Anlagen in Zeiten negativer Preise angepasst sowie die Vermarktung kleinerer Anlagen durch die Übertragungsnetzbetreiber reformiert.“

 

Direktvermarktung: Handel und Anlagensteuerung mit Expertise

Wir bei Vattenfall Energy Trading sind sehr aktiv in der Direktvermarktung von Solar- und Windkraftanlagen ab einer Größe von 1 MW (hier finden Sie mehr Informationen zur Direktvermarktung bei Vattenfall). Die Vermarktung erfolgt auf Grundlage der neusten Wetterentwicklungen an der EPEX Spot im Day-ahead- und im Intraday-Markt.

Wenn die Börse für eine oder mehrere Stunden einen negativen Wert veröffentlicht, versuchen wir im Sinne unserer Kunden die Zahlungsumkehr zu vermeiden und regeln die Solar- oder Windkraftanlagen im Rahmen der sogenannten marktbedingte Abschaltungen herunter. Die Ausfallarbeit während der Abschaltungen vergüten wir unseren Kunden bei geförderten EE-Anlagen mit dem anzulegenden Wert. Eine Ausnahme bildet dabei die Anwendung des §51 EEG, der eine Förderreduzierung bei negativen Preisen vorschreibt. In Abhängigkeit von dem Inbetriebnahmedatum der EEG-Anlage greifen unterschiedliche Regelungen mit dem Resultat, dass der Anlagenbetreiber vom Verteilnetzbetreiber in Zeiten negativer Preise keine Marktprämie erhält. Maßgeblich ist dabei, über welchen Zeitraum durchgehend negative Stundenpreise auftraten (6h, 4h und neuerdings 1h). In Anbetracht der Zunahme von negativen Preisen verlängert sich der Förderzeitraum über die 20 Jahre hinaus, um die finanziellen Verluste zu kompensieren.

 

Ausbau von Batteriespeichern als Rückgrat der Energiewende

Generell ist es nötig, dass alle Marktteilnehmer die zur Verfügung stehenden Stellschrauben nutzen: Einerseits muss die Nachfrageseite mehr flexibilisiert, d.h. preissensibler gestaltet werden. Dies kann etwa über dynamische Tarife im Privatkundensegment und über Anreize zur Lastverlagerung in wind- und sonnenreiche und damit kostengünstige Zeiten im Industriebereich erreicht werden, etwa über Netzentgelte. Andererseits geben die beschriebenen Preissignale bereits heute Anreize zum massiven Ausbau von Speicherkapazitäten, um die Gleichzeitigkeit von Erzeugung und Verbrauch im Stromsystem zu entkoppeln.

Die Realisierung von Batteriespeichersystemen (BESS) in Form von Feststoffbatterien sowie der Bau neuer Pumpspeicherwerke zur Nutzung von überschüssigem Wind- und Sonnenstrom sind ein wichtiger Eckpfeiler für das Gelingen der Energiewende. Auch in diesem Bereich ist Vattenfall Energy Trading aktiv und realisiert Batteriespeicherprojekte allein und mit Partnern. Hier finden Sie mehr Informationen zu Batteriegroßspeichern bei Vattenfall.

 

Sie haben Fragen zu negativen Preisen oder zu unseren Leistungen im Bereich Direktvermarktung und Batteriegroßspeicher? Melden Sie sich gern bei uns!

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[1]https://www.epexspot.com/sites/default/files/download_center_files/Q%26A%20Negative%20Preise.pdf

[2] https://openenergytracker.org/docs/germany/prices/#verteilung-uber-den-tag