Direktvermarktung: Sind wir schon über den Berg?

Ein in allen Facetten turbulentes Jahr 2022 ist zu Ende gegangen. Auch in der Direktvermarktung schwankte die Stimmung von „himmelhoch jauchzend“ im Sommer mit Spotpreisen von mehr als 300 Euro/MWh bis „zu Tode betrübt“ im Herbst angesichts der Unsicherheit über den regulatorischen Eingriff durch die Strompreisbremse.

März 2023

Seit dem 1. Januar 2016 müssen neue Erneuerbare-Energien-Anlagen ab einer installierten Leistung von 100 Kilowatt fernsteuerbar sein und ihren erzeugten Strom direkt vermarkten. Diese verpflichtende Direktvermarktung gilt nicht für Bestandsanlagen, die vor dem August 2014 genehmigt und in Betrieb genommen wurden – gleichwohl können sie optional in die Direktvermarktung nach dem Marktprämienmodell wechseln. Laut Monitoringbericht 2022 der Bundesnetzagentur waren im Jahr 2021 79 Prozent der eingespeisten Energie aus EEG-Anlagen dem Marktprämienmodell zugeordnet. Im Vergleich dazu liegt der Anteil der eingespeisten Energie auf Basis der festen Einspeisevergütung (19 Prozent) und der sonstigen Direktvermarktung, die ohne die Inanspruchnahme einer Förderung nach dem EEG den erzeugten Strom am Großhandelsmarkt vermarkten (2 Prozent), weit dahinter1.

 

Achterbahnfahrt der Monatsmarktwerte...

Durch den Anstieg der Großhandelspreise seit der zweiten Jahreshälfte 2021, der durch den Ausbruch des Ukraine-Krieges Ende Februar 2022 noch verstärkt wurde, sind die Monatsmarktwerte für Solar- und Windkraftanlagen auf nie dagewesene und auch nie erwartete Werte gestiegen: Im Januar 2021 war der Monatsmarktwert für Wind an Land noch auf einem moderaten Niveau von 46,45 Euro/MWh und erhöhte sich in den folgenden sechs Monaten auf 68,08 Euro/MWh. Im Januar 2022 war der Monatsmarktwert bereits um weitere 50 Euro auf 128,83 Euro/MWh gestiegen und erreichte seinen Höhepunkt im August 2022 mit 460,92 Euro/MWh. Danach fiel der Marktwert sukzessive und betrug im Januar 2023 lediglich 87,26 Euro/MWh. Das war nach dem High gefühlt niedrig – aber immer noch so doppelt so hoch wie noch zwei Jahre zuvor.

 

...und der Volatilität der Spotpreise

Dieser preisliche Anstieg auf den Spot- und Terminmärkten für Energie hatte natürlich einen positiven Einfluss auf die Erlössituation der EEG-Anlagen, jedoch auch ungeahnte Auswirkungen auf die Direktvermarkter. Nicht nur das Preisniveau erhöhte sich, sondern auch die innertäglichen Schwankungen der Preise, die sogenannte Volatilität: Betrug die Differenz zwischen dem niedrigsten (nachts) und dem höchsten Wert (mittags) der stündlichen Spotpreise an der EPEX Spot innerhalb eines Tages im Januar 2021 nur rund 30 Euro/MWh, erhöhte sich die Differenz im August 2022 auf 300 Euro/MWh.

 

Mammutaufgabe für die Kalkulation von Direktvermarktungsverträgen

Kurz vor der „Jahresendrallye“, in der die Konditionen vieler Direktvermarktungsverträge neu verhandelt werden, mussten viele Direktvermarkter abschätzen, wann eine Erneuerbare-Energien-Anlage wie viele Megawattstunden einspeist und zu welchen Preisen der Strom zu den jeweiligen Zeitpunkten gehandelt wird. Die Summe aus erwarteten Auszahlungen an den Anlagenbetreiber für die Einspeisung, für die Ausfallarbeit bei marktbedingten Abregelungen oder Redispatch-Maßnahmen des Netzbetreibers müssen dabei den Einnahmen aus der Vermarktung gegenübergestellt werden – natürlich unter Berücksichtigung der Risiken für falsche Prognosen (Ausgleichsenergierisiko!) sowie internen Kosten der Vermarktung und des Vertriebs. Aus diesen Komponenten berechnet sich anlagenspezifisch das Dienstleistungsentgelt für die Vermarktung. Durch die hohe Volatilität der Spotpreise war es im September letzten Jahres daher kaum mehr möglich, ein fixes Dienstleistungsentgelt für den folgenden Vermarktungszeitraum zu berechnen – es wäre ein Vabanquespiel gewesen, dass kein seriöses Unternehmen eingehen wollte.

 

Variable Dienstleistungsengelte als (Zwischen-) Lösung

Aus diesem Grund haben wir bei Vattenfall Energy Trading die Dienstleistungsentgelte flexibilisiert, indem wir sie an die Höhe der Monatsmarktwerte oder direkt an die Spotpreise koppeln. Ist zum Beispiel der Monatsmarktwert in einem Monat höher als im Vormonat, steigt das Dienstleistungsentgelt für die Vermarktung ebenfalls an, um das größere Risiko der Vermarktung abzufangen. Dies gilt natürlich auch bei sinkenden Marktwerten, denn mit ihnen sinkt das Dienstleistungsentgelt. Ob der Trend der variablen Dienstleistungsentgelte anhalten wird, hängt im Wesentlichen von der Preisentwicklung im Strom-Großhandel und dem Regelenergiemarkt ab. Sind die Preise wieder über einen längeren Zeitraum stabil und vorhersagbar, so sinken die Vermarktungsrisiken gleichermaßen. Dann können Vermarkter wieder guten Gewissens die von den Anlagenbetreibern bevorzugten fixen Dienstleistungsentgelte anbieten.

 

Auswirkungen der Strompreisbremse

Das am 24. Dezember in Kraft getretene Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse (StromPBG) war kein Weihnachtsgeschenk für die EEG-Anlagenbetreiber in Deutschland. Das StromPBG sieht eine Begrenzung der Vermarktungserlöse ab 01. Dezember 2022 bis voraussichtlich 30. Juni 2023 mit Option zur Verlängerung bis zum 30. April 2024 vor. Ob das StromPBG maßgeblich für die Beruhigung an den Großhandelsmärkten war, ist schwer zu beurteilen, hat aber sicherlich dazu beigetragen. Gleichwohl haben derartige regulatorische Eingriffe in die Erlössituation von Erneuerbare-Energien-Projekten auch eine Kehrseite, denn viele Investoren scheuen neue Projekte und warten gegebenenfalls auf stabilere Zeiten oder suchen sich andere Märkte. Eine fatale Situation, denn um die Energiewende zu schaffen, müssen alle Stakeholder an einem Strang ziehen. Im Jahr 2022 betrug der Netto-Zubau für Wind an Land durchschnittlich 178 MW pro Monat. Um das Ziel von 115.000 MW Wind an Land im Jahr 2030 zu erreichen, müssten zukünftig 591 MW monatlich in Betrieb genommen werden. Für Solar und Wind auf See sind die Werte ebenso ernüchternd2.

 

Fazit

Die Direktvermarktung im Marktprämienmodell ist die wichtigste Säule zwischen den verschiedenen Erlösmöglichkeiten für Erneuerbare-Energien-Projekte. Dies haben wir schon in unserem <a class="arrow">vorigen Artikel zur Direktvermarktung im November 2022</a> dargelegt. Die Rahmenbedingungen ändern sich – und wir stehen Ihnen stets als kompetenter Direktvermarkter mit Rat und Tat sowie mit attraktiven Produkten und Konditionen zur Seite.

 

Sie haben Fragen zur Direktvermarktung? Sprechen Sie uns gern an!

<a class="arrow">renewables@vattenfall.de</a>

 


<a class="button">Zur Artikel-Übersicht</a>

 

 

1 Bundesnetzagentur, Monitoringbericht 2022, https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Monitoringberichte/start.html
2 Bundesnetzagentur, Statistiken ausgewählter erneuerbarer Energieträger zur Stromerzeugung, Dezember 2022, https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Energie/Unternehmen_Institutionen/ErneuerbareEnergien/ZahlenDatenInformationen/EEStatistikMaStRBNetzA.pdf?__blob=publicationFile&v=9