Was ist Regelenergie?

Begriffe kurz erklärt

Regel- und Ausgleichsenergie dienen dazu, die Stabilität im Stromnetz aufrechzuerhalten. Stromerzeugung und Stromverbrauch müssen zu jeder Viertelstunde eines Tages ausgeglichen sein - also in Balance sein. Diese Aufgabe übernehmen die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) in ihren Regelzonen. Der Vorgang wird - aus dem Englischen übernommen - auch Balancing genannt.

Regelenergie wird auch als Regelleistung oder Reserveleistung bezeichnet. Damit das Stromnetz funktioniert und es nicht über- oder unterlastet wird, muss jeder Betreiber eines Kraftwerks die Strommenge berechnen und anmelden, die er am folgenden Tag ins Netz einspeisen wird. Genauso müssen Energieversorger oder Industrieunternehmen melden, wie viel Strom sie aus dem Netz entnehmen werden. Diese Daten werden Fahrpläne genannt. Sie müssen viertelstundengenau bei den Übertragungsnetzbetreibern eingereicht werden. Der gesamte Prozess wird als Fahrplanmanagement bezeichnet.

Die Übertragungsnetzbetreiber sorgen dafür, dass die Frequenz im Stromnetz in ihrer Regelzone stets 50 Hertz beträgt. Damit gewährleisten sie Stabilität und Sicherheit. Innerhalb eines Bereichs zwischen 49,99 und 50,01 Hertz wird noch nicht geregelt. Werden diese Werte jedoch über- oder unterschritten, so muss der ÜNB eingreifen und Reserveleistung oder Regelenergie einsetzen. Regelenergie ist wird in einem Regelband von 49,8 bis 50,2 Hertz eingesetzt.

Regelenergie kann positive oder negative Regelenergie sein: Positive Regelenergie wird benötigt, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt. Hier wird zusätzliche Energie ins Netz eingespeist. Negative Regelenergie wird benötigt, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt. Hier wird Energie aus dem Netz entnommen oder die Einspeisung reduziert.

Wie funktioniert der Regelenergiemarkt?

Auf dem Regelenergiemarkt - oder Regelleistungsmarkt - geht es darum, dass Kraftwerksbetreiber Leistung als Reserve vorhalten. Diese wird benötigt, wenn die Netzfrequenz zu stark sinkt - zum Beispiel wenn mehr Strom aus dem Netz entnommen wird, als zuvor prognostiziert wurde. Ebenso benötigen die Netzbetreiber Reserveleistung, wenn die Frequenz zu stark steigt - dann müssen Kraftwerksbetreiber ihre Produktion herunterfahren oder Verbraucher ihre Nachfrage erhöhen. Es gibt drei Regelenergie Arten, die sich nach ihrer Dauer unterscheiden: Primärreserve, Sekundärreserve und Minutenreserve.

 
Primärregelleistung oder Primärreserve

Um die Normalfrequenz von 50 Hertz im Stromnetz zu halten, gleicht die Primärregelleistung (oder auch Primärreserve) unvorhergesehene Schwankungen in Sekundenschnelle aus. Sie muss innerhalb von 30 Sekunden verfügbar sein, um einen Stromausfall zu verhindern. Die Primärregelleistung wird im Verbund der zentraleuropäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E (European Network of Transmission System Operators for Electricity) bereitgestellt. 
Die Primärreserve wird automatisch aktiviert: Anbieter von Primärreserve messen die Netzfrequenz am Ort der Erzeugung oder des Verbrauchs, damit sie schnell auf Änderungen reagieren können. Zeitverluste, etwa für Kommunikationswege bei der Steuerung durch einen ÜNB, werden so ausgeschlossen.

 

Sekundärregelleistung oder Sekundärreserve

Die Sekundärreserve springt nach der Primärreserve ein und muss innerhalb von fünf Minuten zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zur Primärreserve wird sie von den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern geregelt und bereitgestellt. Sie tauschen Informationen über ihre Stromnetze aus und können so Netzschwankungen auch über die Grenzen ihrer Regelzonen ausgleichen.

Sekundärreserve wurde früher von gut regelbaren und vollautomatisch schaltbaren Kraftwerken wie Pumpspeicherwerken oder Gasturbinen bereitgestellt. Heute tragen vermehrt auch virtuelle Kraftwerke zur Netzstabilität bei. Dies sind Zusammenschlüsse aus Erneuerbare-Energien-Kraftwerken, Biogasanlagen, Batteriespeichern, BHKWs oder flexiblen Stromverbrauchern. Sie können gemeinsam ähnlich geregelt werden wie Großkraftwerke. Die Anbieter von Sekundärreserve sind mit der Leitwarte ihres Übertragungsnetzbetreibers verbunden und tauschen Daten in Echtzeit aus. Der Leistungsfrequenzregler eines ÜNB verteilt die Sekundärreserve auf die Anbieter. Dies geschieht - je nach dem angebotenen Leistungs- und Arbeitspreis - vollautomatisiert.

Bei Netzschwankungen, die länger als 15 Minuten dauern, wird die Sekundärreserve von der Minutenreserve abgelöst. 

 

Tertiärregelleistung, Minutenregelleistung oder Minutenreserve

Die Begriffe Tertiärregelleistung, Minutenregelleistung und Minutenreserve werden synonym verwendet. Sie stehen für die Reserveleistung, die innerhalb von 15 Minuten zur Verfügung stehen muss.

Positive Minutenreserve wird benötigt, wenn zu wenig Strom im Netz vorhanden ist. Anbieter für positive Minutenreserve sind Stromproduzenten, die zusätzlichen Strom einspeisen und so eine Unterproduktion abfedern. Ebenso sind dies flexible Industrieunternehmen, die ihren Stromverbrauch senken, um die Frequenz im Stromnetz stabil zu halten.

Negative Minutenreserve wird benötigt, wenn zu viel Strom im Netz vorhanden ist. Anbieter für negative Reserveleistung sind Kraftwerke, die ihre Produktion drosseln können. Ebenso sind dies flexible Industrieunternehmen, die ihren Stromverbrauch steigern können.

Genau wie bei der Sekundärreserve haben auch bei der Minutenreserve bisher vornehmlich flexible Gaskraftwerke oder Pumpspeicherwerke Reserveleistung für Strom angeboten. Sie können innerhalb von 15 Minuten ihre Produktion hoch- oder herunterfahren oder stoppen. Vermehrt übernehmen auch erneuerbare Energien in virtuellen Kraftwerken diese Aufgabe.

Was ist Ausgleichsenergie?

Während der Begriff Regelenergie die Leistung und sowie den tatsächlichen Stromfluss meint, bezeichnet der Begriff Ausgleichsenergie den Geldfluss, der dahinter steht. Bei der Ausgleichsenergie werden die entstandenen Kosten umgelegt. Die Verursacher des Ungleichgewichts zahlen - die Anbieter von Reserveleistung bekommen eine Vergütung.

Wenn Regelenergie geflossen ist, stellt der Übertreibungsnetzbetreiber dem Kraftwerk, das seine angekündigte Einspeisung nicht erreicht hat, eine Rechnung. Die Zahlung wird sowohl bei Unterproduktion als auch bei Überproduktion fällig. Zuwenig oder zu viel eingespeiste Strommengen werden Mindermengen und Mehrmengen genannt. Auch wenn ein Stromabnehmer - also ein Energieversorger oder Industrieunternehmen - nicht die angekündigte Menge abnimmt, muss er Ausgleichsenergie zahlen.

Dafür gilt der regelzonenübergreifende einheitliche Ausgleichsenergiepreis (reBAP). Die Übertragungsnetzbetreiber berechnen ihn auf der Basis von Börsenpreisen.

Marktteilnehmer und deren Rolle bei der Bereitstellung von Regel- und Ausgleichsenergie

Seit dem 1. Dezember 2006 finden Auktionen für die die Minutenreserve statt. Seit dem 1. Dezember 2007 werden auch die Primär- und Sekundärleistung auktioniert. Die Auktion der Sekundärreserve findet täglich bis 9 Uhr für den Folgetag auf einer Online-Plattform der Übertragungsnetzbetreiber statt. Die Auktionsteilnehmer müssen die Höhe des Gebotes abgeben und definieren, ob es sich um negative Regelenergie oder um positive Regelenergie handelt. Folgende Akteure bieten Regelreserve an:

  • Betreiber von flexibel einsetzbaren, großen Kraftwerken, z.B. Gaskraftwerken
  • Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen wie Windparks oder Photovoltaik-Parks - meist im Zusammenschluss in virtuellen Kraftwerken
  • Betreiber von Blockheizkraftwerken
  • Betreiber von Batteriegroßespeichern
  • Industrieunternehmen mit flexiblem Verbrauch

Regelenergie (Ancillary Services) aus Windparks

Windenergieanlagen spielen eine immer wichtigere Rolle bei der Bereitstellung von Regelenergie. Zunächst müssen Betreiber von Windparks an einer Präqualifikation teilnehmen. Darin müssen sie sicherstellen, dass die Anlagen die technischen und betrieblichen Anforderungen erfüllen. Dies sind die wesentlichen Schritte und Anforderungen:

  • Technische Anforderungen: Windparks müssen nachweisen, dass sie in der Lage sind, die geforderte Regelenergie zuverlässig und schnell bereitzustellen. Dies umfasst die Fähigkeit, ihre Leistung schnell anzupassen und die Erzeugung stabil zu halten.
  • Leistungsfähigkeit: Betreiber müssen detaillierte technische Unterlagen und Nachweise einreichen, die belegen, dass der Windpark leistungsfähig und zuverlässig ist. Dazu gehören unter anderem Lastprofile, technische Spezifikationen und Simulationen.
  • Testläufe und Zertifizierung: Vor der endgültigen Zulassung müssen Windparks Testläufe durchlaufen, um auch operativ zu beweisen, dass sie Regelenergie bereitstellen können. Die Übertragungsnetzbetreibern überwachen und bewerten die Tests.
  • Regelmäßige Überprüfung: Auch nach der Präqualifikation müssen Windparks regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie weiterhin die Anforderungen erfüllen und zuverlässig Regelenergie bereitstellen können.

Speziell im internationalen Kontext von Offshore-Windparks werden Regelenergie-Leistungen oft als Ancillary Services bezeichnet.

Abrechnung von Regel- und Ausgleichsenergie

Betreiber flexibler Erzeugungsanlagen bieten ihre Leistungen für die Sekundärreserve und die Minutenreserve in einem Auktionsverfahren an. Ausgleichsenergiepreise setzen sich aus einem Leistungspreis und einem Arbeitspreis zusammen: Beim Leistungspreis handelt es sich um einen Festpreis für die Bereitstellung von Regelleistung. Der Arbeitspreis ist die Vergütung für die tatsächlich erbrachte Arbeit.

Seit November 2020 wird Regelenergie auf dem Regelenergiemarkt gehandelt. Primärleistung, Sekundärleistung und Minutenreserve werden in 4-Stunden-Blöcken gehandelt. Unternehmen mit flexiblen Anlagen können also am Regelenergiemarkt zusätzliche Erlöse erwirtschaften. 

Leistungspreis

Betreiber von flexiblen Anlagen zur Stromerzeugung oder Stromspeicherung sowie Unternehmen mit flexiblem Stromverbrauch erhalten den Leistungspreis dafür, dass sie ihre Anlagen für die Reserve bereitstellen. Jeder Anbieter kann die Höhe seines Leistungspreises entsprechend seiner Bereitstellungskosten selbst bestimmen. Die Anbieter nehmen an einer Auktion für den folgenden Tag teil. Daraufhin sortieren die Übertragungsnetzbetreiber alle bezuschlagten Anlagen anhand ihrer Leistungspreise in einer Merit-Order-Liste (MOL) vom niedrigsten zum höchsten Preis. Regelleistungsanbieter, die einen Zuschlag am Regelleistungsmarkt erhalten haben, müssen die Menge auch bereitstellen.

 

 

Arbeitspreis

Durch die Auktion am Vortrag stellen die Übetragungsnetzbetreiber sicher, dass genügend Leistung zur Verfügung steht. Welche Anlagen sie tatsächlich abrufen, hängt von den aktuellen Arbeitspreisen der Anlagen ab. Diese Arbeitspreise bestimmen die Anbieter eigenständig für jede Anlage und handeln sie sehr kurz vor der Lieferung in einer Aktion. Benötigt ein Übertragungsnetzbetreiber Reserveleistung, so ruft er zunächst die Anlagen ab, die den niedrigsten Arbeitspreis angegeben haben. Dann nimmt er weitere, teurere Anlagen hinzu, bis der Bedarf gedeckt ist. Dieses Vorgehen gewährleistet, dass die Reserveleistung für die Übertragungsnetzbetreiber - und damit auch für die Volkswirtschaft - so günstig wie möglich bleibt.

Ausgleichsenergiekosten

Je nach der Entwicklung am Strommarkt schwanken die Ausgleichsenergiekosten. Als die Mindestleistung für Anlagen am Regelenergiemarkt von 5 MW auf 1 MW gesenkt wurde, stieg die Teilnehmerzahl und die Leistungspreise sanken zunächst. Seit 2021 steigen sie allerdings. Die Gründe dafür sind vor allem die gestiegenen CO2 - und Gaspreise.

Bedeutung und Zukunft von Regelenergie im Energiemarkt

Im Zuge der Energiewende gibt es in Deutschland immer weniger große Kraftwerke, die gleichmäßig Strom produzieren. Anstatt dessen nimmt der Anteil erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne zu. Da diese schwanken und sich nicht zu 100 Prozent vorhersagen lassen, wächst der Bedarf an flexiblen Lösungen. Regelenergie gleicht kurzfristige Schwankungen im Stromnetz aus.

Derzeit nehmen noch nicht viele Erneuerbare-Energien-Anlagen am Regelarbeitsmarkt teil, da die Präqualifizierung dafür aufwändig ist. Auch weil Direktvermarktungsverträge für Erneuerbare oft nur für ein oder zwei Jahre abgeschlossen werden, lohnt sich of der Aufwand nicht, die Anlagen für die Reserveleistung zu nutzen. Zukünftig spielen daher Technologien wie Batteriespeicher, virtuelle Kraftwerke und intelligente Netze eine Schlüsselrolle.

Insgesamt sind die Zukunftsaussichten für Regelenergie positiv, da sie entscheidend für eine nachhaltige und stabile Energieversorgung ist.

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