Begriffe kurz erklärt
Dispatch heißt auf Deutsch versenden, redispatch dementsprechend wieder-versenden. In der Energiewirtschaft werden beide Begriffe bei der Einsatzplanung von Kraftwerken verwendet:
Um das Stromsystem und vor allem die Übertragungsnetze stabil zu halten, müssen Kraftwerksbetreiber den Netzbetreibern vorab melden, wie viel Strom sie produzieren werden. Dies ist der Fahrplan – oder auch Dispatch genannt. Redispatch ist eine Änderung dieses Fahrplans. Änderungen werden nötig, wenn sich Nachfrage oder Produktion nicht genau so verhalten, wie vorhergesagt. Dann droht eine Überlastung oder Unterlastung der Stromnetze.
Redispatch in der Energiewirtschaft ist ein Prozess, bei dem Übertragungsnetzbetreiber gezielt in die Kraftwerkseinsatzplanung eingreifen, um Netzengpässe zu beheben. Wenn irgendwo im Stromnetz zu viel oder zu wenig Strom fließt und dadurch die Netzstabilität gefährdet ist, ordnen die Betreiber an, dass bestimmte Kraftwerke ihre Produktion erhöhen oder senken. Dadurch wird die Kapazität der Leitungen nicht überschritten und die Versorgungssicherheit bleibt gewährleistet.
Dank Redispatch können Netzbetreiber die Stabilität des Stromnetzes gewährleisten. Redispatch bedeutet, dass Leistung von Kraftwerken angepasst wird, damit die Netze nicht überlastet werden und die Stromversorgung sicher bleibt. Dies ist besonders wichtig, da die zunehmende Einspeisung schwankender erneuerbarer Energien wie Wind- und Solarenergie den Betrieb des Stromnetzes schwieriger macht. Letztlich trägt Redispatch auch dazu bei, den teuren Netzausbau auf das nötige Maß zu beschränken und somit die Kosten für die Endverbraucher zu minimieren.
Redispatch ist also ein wesentlicher Faktor für die Energiewende: Er sorgt für Sicherheit und Effizienz in einem zunehmend dezentralisierten und erneuerbaren Energiesystem. Zudem erhalten Netzbetreiber mehr Prozesssicherheit und -qualität, indem die Datenübermittlung verbessert und ein Einsatzverantwortlicher je Anlage eingebunden wird.
Die Anlagen müssen nach dem Planwertmodell oder dem Prognosemodell betrieben werden. Beim Planwertmodel senden Betreiber oder Direktvermarkter die Prognose für eine Anlage an den Netzbetreiber. Beim Prognosemodell erstellt der Netzbetreiber die Prognose für die Anlage. Das Prognosemodell ähnelt dem jetzigen Einspeisemanagement sehr stark und wird der Standard für kleinere Anlagen sein. Das Planwertmodell wird der Standard für Offshore-Parks werden.
Unter Redispatch müssen Betreiber mehr standardisierte Daten an den Netzbetreiber übermitteln und tragen mehr Verantwortung als zuvor beim Einspeisemanagement. Allerdings können Betreiber die Verantwortung an einen Direktvermarkter übertragen. Dazu müssen sie den Direktvermarkter als Einsatzverantwortlichen (EIV) benennen.
Am 13. Mai 2019 ist das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) in Kraft getreten. Es enthält neue Vorgaben für das Management von Netzengpässen. Die gesetzliche Frist zur Umsetzung war auf den 1. Oktober 2021 datiert.
Danach nehmen Erneuerbare-Energien-Anlagen nicht mehr am Einspeisemanagement teil, sondern – ebenso wie konventionelle Kraftwerke – am Redispatch. Dies wird als Redispatch 2.0 bezeichnet.
Konkret sollen Erneuerbare-Energien-Anlagen und KWK-Anlagen ab 100 kW in den Redispatch einbezogen werden. Dafür müssen Anlagen durch einen Netzbetreiber fernsteuerbar sein.
Einführung von Redispatch 2.0
Die Einführung von Redispatch 2.0 hat sich immer wieder verzögert. Während dieses Modell auf der Ebene der Übertragungsnetze erfolgreich praktiziert wird, wurden Pilotprojekte bei Verteilnetzbetreibern im Spätsommer 2023 ausgesetzt. Im Herbst 2023 hat die Bundesnetzagentur ein Gutachten beim Fachberatungsunternehmen Consentec in Auftrag gegeben, das die Weiterentwicklung untersucht hat.
Demnach war ein Grund für die Verzögerungen, dass die Steuerungstechnik in vielen Erneuerbaren-Energien-Anlagen nicht leistungsfähig genug war. Dadurch konnte die benötigte Redispatch-Leistung teilweise aktiviert werden. Darüber hinaus liegen im Verteilnetz Stammdaten von Anlagen sowie Planungs- und Echtzeitdaten oft nicht korrekt vor. Auch Prognosen und Abrechnungen für die Redispatch-Mengen weisen häufig Abweichungen auf. Im Gegensatz zum Übertragungsnetz sind diese Daten und Prozesse sowie die dazu nötige IT-Infrastruktur im Verteilnetz noch nicht so üblich und ausgereift
Gesetzliche Grundlagen von Redispatch 2.0
Redispatch 2.0 ist in Energiewirtschaftsgesetz in § 13a geregelt. Er umfasst:
Vorteile von Redispatch 2.0
Während Redispatch im Übertragungsnetz schon länger betrieben wird, war die Einführung von Redispatch 2.0 im Verteilnetz und bei den vielen kleineren Anlagen schwierig. Zu den Gründen zählten unter anderem Probleme mit der Steuerungstechnik, fehlerhafte Daten und unausgereifte Prozesse.
Daher beauftragte die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Beratung Consentec damit, Änderungsvorschläge zu erarbeiten. Das Consentec-Gutachten wurde im April 2024 veröffentlicht. Darauf aufbauend kommentierte auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit einem Positionspapier die Empfehlungen des Gutachtens.
Beide empfehlen, Redispatch 2.0 schrittweise weiterzuentwickeln. Dabei sollten genügend Vorlaufzeiten und verpflichtende Tests eingehalten werden. Redispatch-Maßnahmen im Übertragungsnetz sollten weiterhin durch den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) bilanziert werden. Für das Verteilnetz schlägt Consentec vor, dass der Bilanzkreisverantwortliche (BKV) des Lieferanten die Bilanzierung übernimmt. Der BDEW unterstützt diese Übergangslösung, bis eine flächendeckende Überführung ins Planwertmodell möglich ist.
Allerdings übt der BDEW auch Kritik am Gutachten. Hierzu zählt der langfristige Übergang für die Bilanzierung im Verteilnetz. Der BDEW schlägt vor, dass relevante Anlagen im Verteilnetz sukzessive ins Planwertmodell überführt und dort durch den Netzbetreiber bilanziert werden sollten. Für Anlagen im angepassten Prognosemodell sollte die Bilanzierung langfristig durch den BKV des Lieferanten erfolgen und dafür eine angemessene Redispatch Vergütung gezahlt werden. Zudem fordert der BDEW klare Vorgaben für das Zielmodell der Bilanzierung im Verteilnetz durch die Bundesnetzagentur (BnetzA). Der BDEW plädiert auch für eine Überprüfung der Marktrollen, eine Verbesserung der Datenqualität und die Einführung massentauglicher Prozesse. Nur so können die Beteiligten das System effizient betreiben.
Ein zentraler Aspekt in der Bewertung des BDEW betrifft auch die Rechtssicherheit. Demnach sollten die Rahmenbedingungen im Energierecht angepasst werden, insbesondere § 13a des EnWG. Hier sollte der BKV des Lieferanten dazu befähigt werden, die Bilanzierung im Verteilnetz zu übernehmen.
Das Consentec-Gutachten und das BDEW-Positionspapier liefern wichtige Empfehlungen zur praxisnahen und rechtssicheren Weiterentwicklung von Redispatch 2.0. Nun liegt es an der BnetzA, eigene Vorschläge zu erstellen und diese öffentlich zu konsultieren.
Wer muss Redispatch 2.0 machen? Alle fernsteuerbaren Ablagen ab 100 Kilowatt Leistung müssen sich an Redispatch 2.0 beteiligen.
Warum steigen Redispatch Kosten? In Deutschland müssen die Stromnetze im Zuge der Zunahme der erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Erneuerbare Energien schwanken je nach Wetter und stehen zudem dezentral - also nicht an den Orten, an denen die Energie verbraucht wird. 2023 konnten daher rund 6,1 Mrd. kWh Strom aus erneuerbaren Energien nicht genutzt werden. Das waren etwa drei Prozent des erzeugten Ökostroms.
Was ist negativer Redispatch? Bei negativem Redispatch wird eine Erzeugungsanlage abgeregelt, ihre Erzeugung und die Einspeisung werden also reduziert oder ganz gestoppt.
Während der Übergangslösung übernehmen die Bilanzkreisverantwortlichen weiterhin die Beschaffung der Fehlmengen in Höhe der Ausfallarbeit, die später durch die Netzbetreiber als bilanzieller Ausgleich bereitgestellt werden sollen. Rechtlich agieren die Direktvermarkter hierbei gemäß Geschäftsführung ohne Auftrag. Der bilanzielle Ausgleich für Netzsicherungsmaßnahmen ist während der Übergangslösung auf 0 MWh festgelegt. Stattdessen erhalten Bilanzkreisverantwortliche eine finanzielle Entschädigung in Form eines Mischpreises, der sich zu 72,5 % aus dem ID1 und zu 27,5 % aus dem reBAP (regelzonenübergreifender Ausgleichsenergiepreis) zusammensetzt. Die Übergangslösung wurde durch die BNetzA mit der Mitteilung Nr.9 (Az. BK6-20-059) zum Redispatch 2.0 offiziell beendet, nichtdestotrotz wird sie faktisch im Zuge der Geschäftsführung ohne Auftrag weiter praktiziert. Durch eine Änderung des EnWG soll die Umsetzung langfristig wieder gesetzeskonform stattfinden.