Was ist Redispatch?

Begriffe kurz erklärt

Dispatch heißt auf Deutsch versenden, redispatch dementsprechend wieder-versenden. In der Energiewirtschaft werden beide Begriffe bei der Einsatzplanung von Kraftwerken verwendet:

Um das Stromsystem und vor allem die Übertragungsnetze stabil zu halten, müssen Kraftwerksbetreiber den Netzbetreibern vorab melden, wie viel Strom sie produzieren werden. Dies ist der Fahrplan – oder auch Dispatch genannt. Redispatch ist eine Änderung dieses Fahrplans. Änderungen werden nötig, wenn sich Nachfrage oder Produktion nicht genau so verhalten, wie vorhergesagt. Dann droht eine Überlastung oder Unterlastung der Stromnetze.

Redispatch in der Energiewirtschaft ist ein Prozess, bei dem Übertragungsnetzbetreiber gezielt in die Kraftwerkseinsatzplanung eingreifen, um Netzengpässe zu beheben. Wenn irgendwo im Stromnetz zu viel oder zu wenig Strom fließt und dadurch die Netzstabilität gefährdet ist, ordnen die Betreiber an, dass bestimmte Kraftwerke ihre Produktion erhöhen oder senken. Dadurch wird die Kapazität der Leitungen nicht überschritten und die Versorgungssicherheit bleibt gewährleistet. 

Warum ist Redispatch wichtig?

Dank Redispatch können Netzbetreiber die Stabilität des Stromnetzes gewährleisten. Redispatch bedeutet, dass Leistung von Kraftwerken angepasst wird, damit die Netze nicht überlastet werden und die Stromversorgung sicher bleibt. Dies ist besonders wichtig, da die zunehmende Einspeisung schwankender erneuerbarer Energien wie Wind- und Solarenergie den Betrieb des Stromnetzes schwieriger macht. Letztlich trägt Redispatch auch dazu bei, den teuren Netzausbau auf das nötige Maß zu beschränken und somit die Kosten für die Endverbraucher zu minimieren.

Redispatch ist also ein wesentlicher Faktor für die Energiewende: Er sorgt für Sicherheit und Effizienz in einem zunehmend dezentralisierten und erneuerbaren Energiesystem. Zudem erhalten Netzbetreiber mehr Prozesssicherheit und -qualität, indem die Datenübermittlung verbessert und ein Einsatzverantwortlicher je Anlage eingebunden wird. 

Wie funktioniert Redispatch?

Die Anlagen müssen nach dem Planwertmodell oder dem Prognosemodell betrieben werden. Beim Planwertmodel senden Betreiber oder Direktvermarkter die Prognose für eine Anlage an den Netzbetreiber. Beim Prognosemodell erstellt der Netzbetreiber die Prognose für die Anlage. Das Prognosemodell ähnelt dem jetzigen Einspeisemanagement sehr stark und wird der Standard für kleinere Anlagen sein. Das Planwertmodell wird der Standard für Offshore-Parks werden.

Unter Redispatch müssen Betreiber mehr standardisierte Daten an den Netzbetreiber übermitteln und tragen mehr Verantwortung als zuvor beim Einspeisemanagement. Allerdings können Betreiber die Verantwortung an einen Direktvermarkter übertragen. Dazu müssen sie den Direktvermarkter als Einsatzverantwortlichen (EIV) benennen.

Was ist Redispatch 2.0?

Am 13. Mai 2019 ist das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) in Kraft getreten. Es enthält neue Vorgaben für das Management von Netzengpässen. Die gesetzliche Frist zur Umsetzung war auf den 1. Oktober 2021 datiert.
Danach nehmen Erneuerbare-Energien-Anlagen nicht mehr am Einspeisemanagement teil, sondern – ebenso wie konventionelle Kraftwerke – am Redispatch. Dies wird als Redispatch 2.0 bezeichnet.

Konkret sollen Erneuerbare-Energien-Anlagen und KWK-Anlagen ab 100 kW in den Redispatch einbezogen werden. Dafür müssen Anlagen durch einen Netzbetreiber fernsteuerbar sein. 
 

Einführung von Redispatch 2.0

Die Einführung von Redispatch 2.0 hat sich immer wieder verzögert. Während dieses Modell auf der Ebene der Übertragungsnetze erfolgreich praktiziert wird, wurden Pilotprojekte bei Verteilnetzbetreibern im Spätsommer 2023 ausgesetzt. Im Herbst 2023 hat die Bundesnetzagentur ein Gutachten beim Fachberatungsunternehmen Consentec in Auftrag gegeben, das die Weiterentwicklung untersucht hat.

Demnach war ein Grund für die Verzögerungen, dass die Steuerungstechnik in vielen Erneuerbaren-Energien-Anlagen nicht leistungsfähig genug war. Dadurch konnte die benötigte Redispatch-Leistung teilweise aktiviert werden. Darüber hinaus liegen im Verteilnetz Stammdaten von Anlagen sowie Planungs- und Echtzeitdaten oft nicht korrekt vor. Auch Prognosen und Abrechnungen für die Redispatch-Mengen weisen häufig Abweichungen auf. Im Gegensatz zum Übertragungsnetz sind diese Daten und Prozesse sowie die dazu nötige IT-Infrastruktur im Verteilnetz noch nicht so üblich und ausgereift

 

Gesetzliche Grundlagen von Redispatch 2.0

Redispatch 2.0 ist in Energiewirtschaftsgesetz in § 13a geregelt. Er umfasst: 

  • konventionelle Erzeugung
  • Erzeugung mit Erneuerbaren-Energien-Anlagen
  • Erzeugung mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen
  • sowie Stromspeicher.

 

Vorteile von Redispatch 2.0

  1. Die Vorteile von Redispatch 2.0 sind vielfältig:
    Netzstabilität: Redispatch hilft, die Balance zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch aufrechtzuerhalten. Dies ist für ein stabiles und zuverlässiges Stromnetz wichtig.
  2. Kostenersparnis: Durch gezieltes Management können kostengünstigere Kraftwerke bevorzugt werden, was die Gesamtkosten für Energie senkt. Ebenso kann der Ausbau des Stromnetzes durch effizientere Nutzung auf das nötige Minimum beschränkt werden.
  3. Integration erneuerbarer Energien: Redispatch ermöglicht es, schwankende erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie besser in das Netz zu integrieren.
    Insgesamt trägt Redispatch zu einem effizienteren, kostengünstigeren und umweltfreundlicheren Energiesystem bei.

Zukunftsausblick für Redispatch 2.0 in der Energiewirtschaft

Während Redispatch im Übertragungsnetz schon länger betrieben wird, war die Einführung von Redispatch 2.0 im Verteilnetz und bei den vielen kleineren Anlagen schwierig. Zu den Gründen zählten unter anderem Probleme mit der Steuerungstechnik, fehlerhafte Daten und unausgereifte Prozesse.

Daher beauftragte die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Beratung Consentec damit, Änderungsvorschläge zu erarbeiten. Das Consentec-Gutachten wurde im April 2024 veröffentlicht. Darauf aufbauend kommentierte auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit einem Positionspapier die Empfehlungen des Gutachtens.

Beide empfehlen, Redispatch 2.0 schrittweise weiterzuentwickeln. Dabei sollten genügend Vorlaufzeiten und verpflichtende Tests eingehalten werden. Redispatch-Maßnahmen im Übertragungsnetz sollten weiterhin durch den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) bilanziert werden. Für das Verteilnetz schlägt Consentec vor, dass der Bilanzkreisverantwortliche (BKV) des Lieferanten die Bilanzierung übernimmt. Der BDEW unterstützt diese Übergangslösung, bis eine flächendeckende Überführung ins Planwertmodell möglich ist.

 

Kritik des BDEW

Allerdings übt der BDEW auch Kritik am Gutachten. Hierzu zählt der langfristige Übergang für die Bilanzierung im Verteilnetz. Der BDEW schlägt vor, dass relevante Anlagen im Verteilnetz sukzessive ins Planwertmodell überführt und dort durch den Netzbetreiber bilanziert werden sollten. Für Anlagen im angepassten Prognosemodell sollte die Bilanzierung langfristig durch den BKV des Lieferanten erfolgen und dafür eine angemessene Redispatch Vergütung gezahlt werden. Zudem fordert der BDEW klare Vorgaben für das Zielmodell der Bilanzierung im Verteilnetz durch die Bundesnetzagentur (BnetzA). Der BDEW plädiert auch für eine Überprüfung der Marktrollen, eine Verbesserung der Datenqualität und die Einführung massentauglicher Prozesse. Nur so können die Beteiligten das System effizient betreiben.

Ein zentraler Aspekt in der Bewertung des BDEW betrifft auch die Rechtssicherheit. Demnach sollten die Rahmenbedingungen im Energierecht angepasst werden, insbesondere § 13a des EnWG. Hier sollte der BKV des Lieferanten dazu befähigt werden, die Bilanzierung im Verteilnetz zu übernehmen.
 

Weiterentwicklung von Redispatch 2.0

Das Consentec-Gutachten und das BDEW-Positionspapier liefern wichtige Empfehlungen zur praxisnahen und rechtssicheren Weiterentwicklung von Redispatch 2.0. Nun liegt es an der BnetzA, eigene Vorschläge zu erstellen und diese öffentlich zu konsultieren.

 

Häufig gestellte Fragen zu Redispatch und Redispatch 2.0

Wer muss Redispatch 2.0 machen? Alle fernsteuerbaren Ablagen ab 100 Kilowatt Leistung müssen sich an Redispatch 2.0 beteiligen.

Warum steigen Redispatch Kosten? In Deutschland müssen die Stromnetze im Zuge der Zunahme der erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Erneuerbare Energien schwanken je nach Wetter und stehen zudem dezentral - also nicht an den Orten, an denen die Energie verbraucht wird. 2023 konnten daher rund 6,1 Mrd. kWh Strom aus erneuerbaren Energien nicht genutzt werden. Das waren etwa drei Prozent des erzeugten Ökostroms.

Was ist negativer Redispatch? Bei negativem Redispatch wird eine Erzeugungsanlage abgeregelt, ihre Erzeugung und die Einspeisung werden also reduziert oder ganz gestoppt. 

Wussten Sie schon?

Welches Ziel verfolgt Redispatch 2.0?

Redispatch 2.0 zielt darauf ab, die Kosten für Netzsicherheitsmaßnahmen zu reduzieren und die Planbarkeit der Maßnahmen und zugehörigen Prozesse weiter zu erhöhen. Durch die Einführung eines umfassenderen, planbasierten Prozesses soll die Netzsicherheit weiter erhöht werden. Die Einbeziehung aller steuerbaren Erzeugungsanlagen ab einer Leistung von 100 kW wird es ermöglichen, Netzengpässe zukünftig effizienter und vorausschauender über alle Netzebenen hinweg zu lösen.

Welche Erzeugungsanlagen fallen unter die Regelungen des Redispatch 2.0?
Unter Redispatch 2.0 fallen alle konventionellen Erzeugungsanlagen, KWK-Anlagen, EE-Anlagen und Speicher ab einer Leistung von 100 kW sowie Anlagen, die dauerhaft durch einen Netzbetreiber steuerbar sind.
Welche wesentlichen Aufgaben müssen Anlagenbetreiber im Redispatch 2.0 erfüllen?
Generell muss der Anlagenbetreiber Daten (Stammdaten, Planungsdaten und Nichtbeanspruchbarkeiten sowie Echtzeitdaten zur Dimensionierung von Redispatch 2.0 Maßnahmen) bereitstellen sowie zu Abrechnungszwecken die abrechnungsrelevante Ausfallarbeit berechnen können. Der Anlagenbetreiber kann die Rolle des Einsatzverantwortlichen (EIV) selbst übernehmen oder wesentliche Aufgaben an einen  Dienstleister auslagern.
Wie und wann müssen die Planungsdaten an die Netzbetreiber gemeldet werden?
Die Planungsdaten müssen zwei Tage im Voraus („D-2 14:30 Uhr“) an die Netzbetreiber gemeldet werden. Einen Tag im Voraus („D-1 14:30 Uhr“) erfolgt eine Aktualisierung der Planungsdaten. Weitere Änderungen an den Planungsdaten müssen bis zur physikalischen Erbringung gemeldet werden.
Was ist ein Postverteilzentrum?
Unter dem Postverteilzentrum wird der DataProvider zur Übermittlung der Stammdaten, Planungsdaten und Nichtbeanspruchbarkeiten an die Netzbetreiber verstanden.
Können dem Netzbetreiber auch Echtzeitdaten über das Postverteilzentrum zur Verfügung gestellt werden?
Nein, Echtzeitdaten werden nicht „datei-basiert“ ausgetauscht und können daher nicht über das Postverteilzentrum ausgetauscht werden.
Welche Gesetze und Regularien regeln Redispatch 2.0?
Der Gesetzgeber hat die neuen Vorgaben für das Management von Netzengpässen durch eine Novelle des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) zum 13. Mai 2019 verabschiedet. Konkret umgesetzt werden die Regeln durch weitere Festlegungen der BNetzA (Verordnungen), welche auf einem Branchenvorschlag des BDEW beruhen.
Was gilt während der Übergangslösung?

Während der Übergangslösung übernehmen die Bilanzkreisverantwortlichen weiterhin die Beschaffung der Fehlmengen in Höhe der Ausfallarbeit, die später durch die Netzbetreiber als bilanzieller Ausgleich bereitgestellt werden sollen. Rechtlich agieren die Direktvermarkter hierbei gemäß Geschäftsführung ohne Auftrag. Der bilanzielle Ausgleich für Netzsicherungsmaßnahmen ist während der Übergangslösung auf 0 MWh festgelegt. Stattdessen erhalten Bilanzkreisverantwortliche eine finanzielle Entschädigung in Form eines Mischpreises, der sich zu 72,5 % aus dem ID1 und zu 27,5 % aus dem reBAP (regelzonenübergreifender Ausgleichsenergiepreis) zusammensetzt. Die Übergangslösung wurde durch die BNetzA mit der Mitteilung Nr.9 (Az. BK6-20-059) zum Redispatch 2.0 offiziell beendet, nichtdestotrotz wird sie faktisch im Zuge der Geschäftsführung ohne Auftrag weiter praktiziert. Durch eine Änderung des EnWG soll die Umsetzung langfristig wieder gesetzeskonform stattfinden.

Wir beraten Sie gerne

Rufen Sie uns an oder schicken Sie uns eine kurze Nachricht.

Telefonnummer anzeigen
E-Mail senden
Zum Kontaktformular