Erneuerbare Kraftstoffe nicht-biogenen Ursprungs (RFNBOs) und die EU-Erneuerbaren Energien Richtlinie (RED): Anforderungen und Herausforderungen*

Mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) gibt es einen europäischen Rechtsrahmen für erneuerbare Kraftstoffe nicht-biogenen Ursprungs. Die gesetzlichen Vorgaben in der Richtlinie wurden im Verlauf in einem delegierten Rechtsakt im Detail ausgearbeitet. Die Umsetzung in nationales Recht ist komplex: Sie bietet viel Sicherheit, ist für Unternehmen aber auch mit hohem Aufwand und einer Menge Bürokratie verbunden. Wir bieten einen Überblick.

November 2024

Die EU Erneuerbare-Energien-Richtlinie bildet den regulatorischen Rahmen für den Einsatz erneuerbarer Energien mit dem Ziel der Reduktion von Treibhausgasemissionen. Sie dient als Fundament und legt die langfristigen Ziele für die Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft in Europa fest. Dabei verfolgt sie das Ziel, die Produktion von grünem Wasserstoff und anderen synthetischen Kraftstoffen in der EU zu fördern und sicherzustellen, dass diese tatsächlich aus erneuerbaren Quellen stammen. Dafür werden in einem delegierte Rechtsakt zur Klassifizierung von erneuerbaren Kraftstoffen nicht-biogenen Ursprungs (RFNBOs, Renewable Fuels of Non-Biological Origin) strenge Kriterien definiert, um die Nachhaltigkeit und den Erneuerbaren-Energien-Anteil dieser Kraftstoffe zu gewährleisten.

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RED: Die Grundlage der europäischen Energiewende

Die Richtlinie für erneuerbare Energien, welche im Jahr 2018 in Kraft trat, verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, bis zum Jahr 2030 mindestens 32 Prozent ihres Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken. Neben dem genannten Ziel beinhaltet die RED Vorgaben, um den Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor zu erhöhen und den Einsatz fortschrittlicher Kraftstoffe zu fördern. Die Richtlinie führte erstmals das Konzept der erneuerbaren Kraftstoffe nicht-biogenen Ursprungs (RFNBOs) ein, zu denen unter anderem grüner Wasserstoff zählt. Er wird als Schlüsseltechnologie zur Dekarbonisierung von Industrie und Verkehr betrachtet.

 

Der delegierte Rechtsakt zu RFNBOs

Um die Nachhaltigkeit von RFNBOs sicherzustellen, wurden im delegierten Rechtsakt spezifische Kriterien für die Stromquelle definiert, die bei der Herstellung dieser Kraftstoffe zum Einsatz kommt.

Die zentralen Anforderungen umfassen:

  1. Zusätzlichkeit: Der für die Produktion von RFNBOs eingesetzte Strom muss aus neuen Erneuerbare-Energien-Anlagen stammen, die nicht durch staatliche Förderprogramme subventioniert wurden. Damit soll sichergestellt werden, dass der Ausbau der Wasserstoffproduktion nicht auf Kosten bestehender erneuerbarer Kapazitäten geht, sondern tatsächlich zu einer zusätzlichen Kapazitätserhöhung führt. Diese Bedingung erschwert jedoch den Zugang zu erneuerbarem Strom in Regionen mit noch geringem Ausbau und verteuert die Wasserstoffproduktion erheblich, da Investitionen in neue Anlagen erforderlich sind.
  2. Zeitliche Korrelation: Um sicherzustellen, dass RFNBOs aus tatsächlich vorhandenem, erneuerbarem Strom hergestellt werden, ist eine zeitliche Übereinstimmung der Produktion von grünem Wasserstoff mit der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen erforderlich. Bis zum Jahr 2030 ist eine monatliche, ab diesem Zeitpunkt jedoch eine stündliche Übereinstimmung erforderlich. Diese Anforderung stellt eine erhebliche technische Herausforderung dar, da sie eine Synchronisation der Wasserstoffproduktion mit den Fluktuationen der erneuerbaren Energieproduktion erfordert. Ohne geeignete Speicherlösungen könnte die Wasserstoffproduktion somit nur bei ausreichendem Angebot erneuerbarer Energie betrieben werden, was die Effizienz und die Wirtschaftlichkeit der Anlagen stark beeinflusst.
  3. Geografische Korrelation: Es ist erforderlich, dass sich sowohl die Stromquelle als auch die Wasserstoffproduktionsanlage innerhalb desselben Netzgebiets beziehungsweise Bilanzkreises befinden oder durch ein verbundenes Netz miteinander verbunden sind. Diese Vorgabe zielt darauf ab, den Import von grünem Strom aus entfernten Regionen zu vermeiden. Dies kann sich einschränkend auf die Lokalisierung der Wasserstoffproduktion in bestimmten Regionen auswirken. Für Projekte in Ländern mit einem geringen Anteil an erneuerbaren Energien im Netz kann dies den Zugang zu ausreichend grünem Strom erschweren.

 

Erweiterung und Verschärfung der EE-Regelungen mit der Novellierung der RED im Jahr 2023

Mit der Novellierung der Richtlinie im Jahr 2023 werden bestehende Bestimmungen verschärft.  Sie setzt verbindliche Quoten für die Nutzung von RFNBOs in verschiedenen Sektoren, insbesondere in der Industrie und im Verkehr. Das Ziel ist es, die Nachfrage nach grünem Wasserstoff zu steigern und die Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft zu beschleunigen.

Die wichtigsten Regelungen umfassen:

  1. Industrielle Nutzung: RED III verlangt, dass 42 Prozent des in der Industrie genutzten Wasserstoffs bis 2030 aus RFNBOs stammen müssen. Bis 2035 soll dieser Anteil auf 60 Prozent steigen. Dies stellt Industrien wie die Stahl-, Chemie- und Zementproduktion, die stark auf Wasserstoff angewiesen sind, vor große Herausforderungen. Für sie erfordert eine Umstellung auf grünen Wasserstoff erhebliche Investitionen in Infrastruktur, Technologien und den Ausbau der erneuerbaren Energien.
  2. Transportsektor: Im Verkehrssektor muss der Anteil an RFNBOs und fortschrittlichen Biokraftstoffen bis 2030 auf mindestens 5,5 Prozent   erhöht werden. Dies bedeutet, dass insbesondere im Bereich des Schwerlastverkehrs, der Luftfahrt und der Schifffahrt verstärkt auf synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen gesetzt wird. Allerdings sind die Kosten für RFNBOs im Vergleich zu fossilen Brennstoffen derzeit deutlich höher, was die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beeinträchtigen könnte, die auf diese umstellen müssen.

 

Anforderungen an Power Purchase Agreements (PPAs) für die grüne Wasserstoffproduktion

Ein zentraler Mechanismus zur Sicherung des notwendigen erneuerbaren Stroms für RFNBOs ist das Power Purchase Agreement (PPA). Diese langfristigen Lieferverträge sollen eine verlässliche Versorgung mit grünem Strom gewährleisten und müssen strikte Bedingungen erfüllen, um als Grundlage für die RFNBO-Produktion anerkannt zu werden:

  1. Vertragsbeziehung und Intermediäre: Das PPA kann entweder direkt oder über Intermediäre zwischen dem Kraftstoffproduzenten und dem Betreiber der Erneuerbare-Energien- Anlage geschlossen werden (wobei rechtlich noch nicht abgesichert ist, ob die Rolle des Intermediärs erlaubt ist). Dabei darf der Intermediär als Vertragspartner auftreten, jedoch muss eine direkte Verbindung zwischen Stromproduzent und Kraftstoffhersteller sichergestellt sein. Dies stellt eine zusätzliche bürokratische Hürde dar und erfordert oft komplexe Vertragskonstruktionen, um die Anforderungen an Transparenz und Rückverfolgbarkeit zu erfüllen.
  2. Umfangreiche Identifikationsanforderungen: Im PPA müssen detaillierte Informationen enthalten sein, um die Quelle des erneuerbaren Stroms eindeutig zu verifizieren. Dazu gehören der Standort der Anlage, die Kapazität, das Datum der Inbetriebnahme sowie die Häufigkeit der Einspeisungserklärungen. Diese Anforderungen sollen sicherstellen, dass ausschließlich Strom aus der angegebenen Quelle verwendet wird und die Herkunft des genutzten Stroms transparent ist. Gleichzeitig führen diese Anforderungen jedoch zu einem gewissen Verwaltungsaufwand.
  3. Herkunftsnachweise (HKN): Die für die RFNBO-Produktion genutzte Menge erneuerbaren Stroms muss durch entsprechende Herkunftsnachweise gedeckt sein. Diese Zertifikate müssen den Anforderungen des Artikels 19 der Richtlinie (EU) 2018/2001 entsprechen und nachweisen, dass der Strom tatsächlich aus erneuerbaren Quellen stammt. Um Missbrauch zu vermeiden, müssen Herkunftsnachweise vor Ablauf ihrer Gültigkeit storniert werden, was eine lückenlose Nachverfolgbarkeit sicherstellen soll.

 

Optionen zur Einstufung von Strom als vollständig erneuerbar

Der delegierte Rechtsakt bietet sechs Optionen, um Strom für die Produktion von RFNBOs als vollständig erneuerbar zu klassifizieren:

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  1. Direkte Verbindung zur erneuerbaren Anlage: Die Produktionsanlage für Wasserstoff ist direkt mit einer erneuerbaren Quelle verbunden, was eine automatische Einstufung als erneuerbar ermöglicht.
  2. Zusätzlichkeit und Korrelation über PPA: Strom wird über ein PPA bezogen, das geografische Nähe und zeitliche Abstimmung sicherstellt. Die Quelle muss in den letzten 36 Monaten in Betrieb gegangen sein, um als „zusätzlich“ zu gelten.
  3. Hoher Anteil erneuerbarer Energie im Netz (>90 %): Strom aus einem Netz mit über 90 Prozent erneuerbaren Anteilen gilt als erneuerbar.
  4. Niedrige Emissionsintensität im Netz (<18 gCO₂eq/MJ): In Regionen mit niedriger Netz-Emissionsintensität wird der Netzstrom als erneuerbar anerkannt.
  5. Verbrauch während Netzungleichgewichtsperioden: Strom, der bei Überproduktion im Netz oder in Zeiten niedriger Netzlast genutzt wird, gilt als erneuerbar.
  6. Speicherung und flexible Nutzung: Durch Speicherung kann der erneuerbare Charakter des Stroms auch bei zeitversetzter Nutzung sichergestellt werden.

 

Kritikpunkte und Herausforderungen von RED und dem delegierten Rechtsakt für RFNBOs - aus Sicht einiger Branchenvertreter**

Obwohl RED und der delegierte Rechtsakt ambitionierte Ziele setzen, gibt es mehrere zentrale Kritikpunkte:

  1. Bürokratie und Umsetzungsaufwand: Die Anforderungen sind komplex und stellen vor allem für kleinere Unternehmen administrative Hürden dar. Dies könnte die breite Einführung von RFNBOs verlangsamen.
  2. Kostenintensive Skalierung: Die Vorgaben zur Zusätzlichkeit und Korrelation treiben die Produktionskosten in die Höhe. Dies verteuert die Markteinführung von grünem Wasserstoff und beeinträchtigt dessen Wettbewerbsfähigkeit.
  3. Begrenzte Flexibilität für bestehende Kapazitäten: Die Fokussierung auf neue Anlagen schränkt die Nutzung bestehender Kapazitäten ein, insbesondere in Regionen mit überschüssigem Angebot an erneuerbaren Energien.
  4. Investitionsunsicherheit: Die Dynamik der Anforderungen zur zeitlichen und geografischen Korrelation kann Unsicherheiten schaffen und langfristige Investitionsplanungen in die RFNBO-Infrastruktur.
  5. Höhere Energiekosten für Industrie und Verbraucher: Die Anforderungen an den Strombezug könnten zu steigenden Kosten führen, die an Endverbraucher und Industrie weitergegeben werden.
  6. Forderung nach höherer Transparenz bei Herkunftsnachweisen: Die Herkunft und Nutzung des erneuerbaren Stroms, der zur Produktion von RFNBOs verwendet wird, muss eindeutig und lückenlos nachvollziehbar sein. Das heißt, dass die Informationen im Herkunftsnachweis (Produktionsquelle, Alter der Anlage, Zeitfenster der Produktion) detailliert und prüfbar sein sollten, damit Auditoren oder Zertifizierungsstellen die Konformität des verwendeten Stroms mit den RFNBO-Anforderungen sicherstellen können. Hierzu hat das Umweltbundesamt den Leitfaden zur gekoppelten Lieferung von Herkunftsnachweisen nach § 30a HkRNDV veröffentlicht, der dem Rechnung trägt.

 

Fazit

Die EU-EE-Richtlinie und der delegierte Rechtsakt für RFNBOs setzen einen klaren, jedoch anspruchsvollen und komplexen Rahmen zur Förderung erneuerbarer Kraftstoffe. Die strengen Anforderungen an Stromquellen und PPAs bieten zwar hohe Standards, führen aber auch zu praktischen Herausforderungen. Ein flexiblerer Ansatz, der finanzielle Unterstützung und eine breitere Berücksichtigung alternativer Technologien umfasst, könnte die Akzeptanz, Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Ziele verbessern und die Klimaziele der EU effizienter unterstützen.

 

* Hinweis: Dieser Text stellt keine Rechts- oder Zertifizierungsberatung dar und ersetzt diese auch nicht. Zur Sicherstellung der Einhaltung der beschriebenen Kriterien wird eine qualifizierte Rechtsberatung sowie eine Präqualifikation zur Sicherstellung der Anforderungen empfohlen.

** Dies spiegelt nicht die politische Position von Vattenfall wider, sondern die allgemeine Perspektive der Branche.

 

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