Strommasten aus Holz, die in einem Wald platziert sind.

Die Energie des Virus – wie Corona sich auf den Markt und die Umwelt auswirkt

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind größer und globaler als ebenfalls einschneidende Ereignisse wie die Fukushima-Katastrophe oder die Bankenpleite. Fast weltweit gibt es nie dagewesene Einschränkungen in das gesellschaftliche und das wirtschaftliche Leben. Eine Katastrophe in Zeitlupe, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Auch den Energiemarkt trifft sie plötzlich und mit großer Wucht.

Juni 2020

Klopapier – das war in Deutschland im Frühling ein großes Thema. Wie viele von uns haben das Hamstern von Toilettenpapier belächelt, haben es kritisiert und vor leeren Regalen gestanden oder haben sich selbst Vorräte angelegt? Toilettenpapier ist ein wunderbares Produkt: Es lässt sich endlos lagern, ist leicht zu transportieren, ist robust, preisstabil, man braucht es lebenslang und eine bahnbrechende Innovation ist hier für die nächsten Jahre nicht zu erwarten. Es ist das ideale Vorratsprodukt.

Anders ist es bei Strom und Gas, deren Beschaffung und Verbrauch. Insbesondere bei Strom muss die Beschaffung idealerweise in Echtzeit dem Bedarf angepasst werden. Die Preise ändern sich täglich und es gilt, den richtigen Weg zu finden zwischen der langfristigen Preisabsicherung, also dem Hedging und der Strategie, und der kurzfristigen Optimierung mit Handlungsspielraum, dem Portfoliomanagement. Sorgfältig ausgearbeitete Risikohandbücher, Info-Plattformen, eine ausgefeilte IT-Landschaft und erfahrene Mitarbeiter lotsten Industriebetriebe und die kommunale Energiewirtschaft in den letzten Jahren durch die komplexe Energielandschaft, mit all ihren Eigenarten und Besonderheiten.


Preisverfall am Energiemarkt

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Energiewirtschaft sind massiv und direkt spürbar, sei es bei einem Stadtwerk oder bei einem Industriebetrieb, denn Corona hat Deutschland und ganz Europa in eine Rezession gestürzt. Besonders der starke Einbruch des Strom- und Gasverbrauchs der letzten Wochen beschäftigt die kommunale Energiewirtschaft und die Industrie. Die Modellrechnungen des Preisinformationsdienstes ICIS gehen von einer um 10 Prozent verminderten Nachfrage an den europäischen Strommärkten zwischen März und Juni aus. Für das Gesamtjahr 2020 gehen Experten von einer um 6,2 Prozent oder 198 Terawattstunden reduzierten Nachfrage aus. Sicherte man seinen Strombedarf in 2019 für 2020 im Base noch bei Niveaus zwischen 45 und 50 Euro/MWh ab, müssen die Bedarfsprognosen derzeit drastisch nach unten korrigiert werden. Die Folge sind Verkäufe von Monats- und Quartalsprodukten am Strommarkt zu Preisen, die weit unter dem damaligen Beschaffungspreis liegen.

Die Hauptursache der niedrigen Preise liegt vor allem in dem Bedarfsrückgang aufgrund des Lockdowns, aber auch Rekordeinspeisungen aus den Erneuerbaren und der milde Winter belasten den Strommarkt. Insbesondere die Strom-Jahresprodukte reagieren derzeit sehr volatil und es stellt sich die Frage, wann ein Stromeinkauf für die Folgejahre in Erwägung gezogen werden kann und welche Preisentwicklungen bei den weltweit gehandelten Rohstoffmärkten zu erwarten sind. Die aktuelle Situation gibt derzeit kein klares Bild ab. Neben den wiedererstarkten CO2-Preisen halten die im Vergleich zur letzten Woche hohen Kohlepreise den Strommarkt auf einem hohen Niveau. Auch der Frontmonat im Strommarkt, der Juli 2020 und das Frontquartal Q3 2020, legten in den letzten Tagen eine regelrechte Rallye hin. Diese beiden Produkte werden hauptsächlich durch derzeit schwache Einspeisewerte durch die Erneuerbaren und eine reduzierte Kraftwerksverfügbarkeit gestützt. Auf der anderen Seite verharren die Gaspreise auf einem seit Wochen niedrigem Preisniveau.

Allgemein sorgen niedrige Zahlen, was die Corona-Neuinfektionen betrifft und die vielfältigen Konjunkturmaßnahmen für eine langsam wieder positivere Stimmung an den Märkten. Dies ist insbesondere an den Finanzmärkten zu sehen: Der Dax hat im Vergleich zur letzten Woche enorm zugelegt.

Vor diesem Hintergrund stehen Energieeinkäufer, sei es in einem Stadtwerk oder in einem Industriebetrieb, vor sehr großen Herausforderungen.

In diesen Wochen zeigt sich, dass ein schneller Informationsfluss und ein Austausch mit einem professionellen Dienstleister, der direkt am Großhandelsmarkt agiert und Infos aus erster Hand hat, ausgesprochen wertvoll sein kann. Für den täglichen Blick auf die Preisentwicklungen der Strom-, Gas- und Rohstoffmärkte und die entsprechenden Analysen und Empfehlungen braucht man einen professionellen Partner. Idealerweise ist ein Szenario, wie wir es derzeit erleben, bereits in einem Risikohandbuch verankert, so dass entsprechende Maßnahmen zumindest ansatzweise planbar und durchführbar sind.


Die Umwelt profitiert – langfristig?

Ein großer Gewinner der Corona-Pandemie ist die Umwelt. Eine in Teilen brach liegende Industrie, ein massiver Rückgang beim Flugverkehr sowie ausbleibende Reisetätigkeiten mit dem PKW sorgen für einen reduzierten CO2-Ausstoß. Ob dies nachhaltig ist, bleibt abzuwarten, denn erste Stimmen fordern bereits, dass die Sonderbelastungen der Industrie durch Umweltauflagen geprüft werden sollen, um die Industrie möglichst schnell wieder zur alten Stärke zurückzuführen.


Lehren, die wir aus Corona ziehen können

Egal ist, wie ein Stadtwerk, ein Regionalversorger und ein Industriebetrieb das gegenwärtige Pandemie-Szenario gemeistert hat – der wichtigste Punkt sollte sein, dass jeder Marktteilnehmer aus dieser Zeit entsprechende Lehren zieht und sich für die Zukunft auch auf einen „Worst Case“ vorbereitet.

Zum Schluss noch der langfristige Ausblick: Dieser kann durchaus positiv sein, was die Ansiedlung neuer Industrien in Deutschland betrifft, da Deutschland im Umgang mit der Pandemie laut der Londoner Deep Knowledge Group (DKG) außerordentlich gut abschneidet, etwa in Bezug auf das Krisenmanagement und den Schutz der Menschen. Für zukünftige Investitionsentscheidungen wird man diesen Punkt mit Sicherheit sehr viel stärker berücksichtigen.


Sie haben Fragen zum Energiemarkt? Sprechen uns gern an!

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