5 Fragen zur… Fernsteuerbarkeit von Wind- und Solaranlagen

Als Direktvermarkter werden wir von Anlagenbetreibern immer wieder gefragt, welche Voraussetzungen sie in Bezug auf die Fernsteuerbarkeit erfüllen müssen. Gleichzeitig besteht oft Unklarheit hinsichtlich der Unterschiede zwischen netzdienlichen und marktbedingten Abregelungen. Wir bringen Licht ins Dunkel.

Januar 2025

1. Warum müssen Wind- und Photovoltaikanlagen fernsteuerbar sein?

Der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde in den letzten Jahren in Deutschland beschleunigt: Anfang 2025 sind bereits knapp 100 GW Leistung an Solaranlagen, 9 GW Offshore Wind-Leistung und annähernd 64 GW Onshore Wind-Leistung installiert.[1]

Wenn die Erneuerbaren an windigen und sonnigen Tagen gleichzeitig produzieren, kann es zu deutlichen Erzeugungsüberschüssen kommen – insbesondere, wenn eine solche Erzeugungssituation am Wochenende oder an einem Feiertag auf geringen Verbrauch trifft. An solchen Tagen wird Strom exportiert, gespeichert oder der Stromverbrauch, wo möglich, erhöht. Jedoch reichen diese Maßnahmen nicht immer, um Angebot und Nachfrage komplett auszugleichen. In solchen Situationen werden Anlagen durch die gesetzlich vorgeschriebene Fernsteuerung abgeregelt, um das Stromnetz nicht zu überlasten. Gleichzeitig sollen negative Erlöse der erneuerbaren Energien vermieden werden.

Die Fernsteuerbarkeit ist laut §10b EEG 2023 für alle Anlagen verpflichtend, die sich in der geförderten Direktvermarktung nach dem Marktprämienmodell befinden. Anlagenbetreiber müssen ihre Anlagen mit einer technischen Einrichtung ausstatten, über die der Direktvermarkter oder ein Dritter die Ist-Einspeisung abrufen kann und über die die Leistung stufenweise oder, sofern die technische Möglichkeit besteht, stufenlos ferngesteuert werden kann.

 

2. Wer ist für die Fernsteuerbarkeit verantwortlich?

Der Anlagenbetreiber ist dafür verantwortlich, die Fernsteuerbarkeit herzustellen. Meist beauftragen Betreiber einen Dienstleister damit, eine Fernsteuerungsanbindung herzustellen, d.h. den Wind- oder Solarpark mit der notwendigen Hardware auszustatten. Dafür ist neben einer stabilen Internetverbindung eine geeignete Hardware für die Anlagensteuerung und den Fernzugriff erforderlich, z.B. Datenlogger mit einer Direktvermarktungs-Schnittstelle.

 

3. Wie funktioniert die Fernsteuerung und wer führt sie durch?

In der Regel erfolgt die Steuerung über Funkrundsteuerempfänger oder Fernwirktechnik. Für die Direktvermarktung muss eine gesonderte Schnittstelle eingerichtet werden, damit der Direktvermarkter die Leistung des Parks unabhängig steuern kann. Die Schnittstelle muss einen Internetanschluss und Hardware zur Übertragung von Echtzeitdaten sowie zur Steuerung beinhalten.

Bei Vattenfall arbeiten wir mit dem Steuerungsdienstleister emsys VPP GmbH zusammen. Anlagenbetreiber haben meist einen Schnittstellen-Dienstleister, der sich an uns beziehungsweise emsys wenden muss, um die Anbindung herzustellen. Sobald dies geschehen ist, führen wir einen Fernsteuerungstest durch. Darin testen wir den Fernzugriff und prüfen, ob der Park die tatsächlichen Echtzeitdaten übermittelt. Nach erfolgreicher Testung der Fernsteuerbarkeit wird ein Fernsteuerungsnachweis erstellt. Dieser bescheinigt dem Anlagenbetreiber und dem Verteilnetzbetreiber, dass der Park über die verpflichtende Fernsteuerbarkeit verfügt.

Derzeit befindet sich ein Gesetzentwurf zur „Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“[2] im parlamentarischen Verfahren. Danach sollen Direktvermarkter dazu verpflichtet werden, dem Netzbetreiber Verstöße von Anlagenbetreibern gegen die Pflichten zur Steuerbarkeit mitzuteilen, damit der NB Pönale verhängen kann.[3]

 

4. Netzdienliche vs. marktbedingte Steuerung

Steuerungen können in zwei Kategorien eingeordnet werden:

1.      Zum einen haben Netzbetreiber die Möglichkeit, Erneuerbare-Energien-Anlagen zur Vermeidung von Netzengpässen und zur Sicherung der Netzstabilität abzuregeln. In diesem Fall werden die Maßnahmen als Redispatch-2.0-Maßnahmen bezeichnet.

2.      Darüber hinaus können Direktvermarkter Anlagen über die Fernsteuerungstechnik abregeln, um negative Erlöse der Erneuerbaren zu vermeiden oder um ihr Portfolio zu optimieren. In diesen Fällen spricht man von marktbedingten Steuerungen oder marktbedingten Abregelungen.

 

5. Marktbedingte Abregelungen

Im Gegensatz zum Netzbetreiber, der z.B. aus Netzstabilitätsgründen regelt, hat der Direktvermarkter das Recht, aus marktbedingten Gründen zu steuern – also auf Preissignale zu reagieren und somit die Flexibilität der Anlagen zu nutzen.

Eine marktbedingte Steuerung kann für den Direktvermarkter sinnvoll sein, wenn es für ihn teurer ist, eine Anlage weiterzubetreiben als sie abzuregeln. Dies kann insbesondere bei drei Szenarien der Fall sein:

1.      Der EPEX SPOT Preis liegt unterhalb des Abregelungspreises der Anlage (oftmals auch als Limitpreis oder Strike Price bezeichnet). Die Anlage wird dann in der Day-ahead Auktion nicht vermarktet. Wenn die Preise auf dem anschließenden Intraday-Markt ebenfalls nicht über den Limitpreis steigen, wird die Anlage für den Zeitraum abgeschaltet.

2.      Die Marktpreise auf dem Intraday-Markt fallen so weit, dass es für den Direktvermarkter sinnvoll ist, seine eigene Produktion durch die Abregelung von Anlagen zu drosseln und die Fehlmenge auf dem Intraday-Markt zu negativen Preisen zurückzukaufen.

3.      Der Direktvermarkter hat eine Long-Position in seinem Portfolio und kann den Schiefstand durch das Abregeln von Anlagen im Bilanzkreis am günstigsten wieder ausgleichen.

In allen Fällen einer marktbedingten Abregelung muss der Direktvermarkter dem Anlagenbetreiber den Produktionsausfall vollumfänglich ersetzen. Vattenfall verfolgt hierbei den Grundsatz, dass der Betreiber wirtschaftlich so gestellt sein sollte, als ob die Maßnahme nicht stattgefunden hätte.

Neben den wirtschaftlichen Aspekten verhält sich der Direktvermarkter durch die Abregelung systemdienlich und stützt das Netz. In Stellungnahmen von Sachverständigen[4] zum bereits oben erwähnten Gesetzentwurf zur „Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“ wird festgestellt, dass Anlagen in der Direktvermarktung, die eigentlich bereits nach geltender Rechtslage steuerbar sein müssten, teilweise nicht auf negative Preissignale reagieren. Hierfür kommen drei Gründe infrage: erstens eine nicht funktionierende Steuerung, zweitens die Berücksichtigung von Kompensationszahlungen des Direktvermarkters bei Abschaltungen oder drittens Forderungen des Anlagenbetreibers, die Steuerung zur Verringerung von Verschleiß zu reduzieren. Angesichts des gesetzlichen Ziels, zukünftige Erzeugungsüberschüsse zu reduzieren, sind die o.g. Gründe, welche eine marktbedingte Abregelung einschränken, in neuen Direktvermarktungsverträgen kritisch zu bewerten.

 

Sie haben Fragen zur Fernsteuerbarkeit oder zur marktbedingten Abregelung? Melden Sie sich gern bei uns!

<a class="arrow">renewables@vattenfall.de</a>

<a class="button">Zur Artikelübersicht</a>
 

[1]BNetzA: Statistiken ausgewählter erneuerbarer Energieträger zur Stromerzeugung - November 2024

[2] Bundestag, Drucksache 20/14235,https://dserver.bundestag.de/btd/20/142/2014235.pdf.

[3] § 10b Abs. 6 EEG 2023-E.

[4] https://www.bundestag.de/ausschuesse/a25_klimaschutz_und_energie/anhoerungen/1037770-1037770